Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

zerten, Feierlichkeiten und Versammlungen (!) vornehmer Personen mitwirkte (a diverse musihe e onoranze eragunate di persone nobili. Vasari).

35) Man vergleihe dazu das Titelblatt zu Albertus Magnus „Philosophia naturalis” Venedig I496: eine kosmische Gestalt in Wasser, Feuer, Luft und Erde, umgeben von Lehrzeichen wie Wage, Urne, Winkelmaß, Maßstab und mit moralischen Sinnsprühen am Rande.

35) Vergl. Giehlow, Dürers Melandolia I und der maximilianische Humanistenkreis. (Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien I904). Boll F., Sternglaube und Sterndeutung, Leipzig IOIS. Panofsky-Saxl, Dürers „Melencolia I”. (Studien der Bibl. Warburg, Berlin I923).

37) Über Dürers „Melancholie” liegen neuerdings die gründlichen und lichtgebenden Untersuchungen Panofsky-Saxls vor, die die ältere Arbeit Giehlows fortführen und z.T. zu korrigieren suchen. Wir weichen nur in Einzelheiten von ihren Ergebnissen ab. Zunächst geht es nicht an, alle Attribute der Melandholia-Gestalt, abgesehen von Hund und Putto, auf die saturnishe „Meßkunst” schließlih zu reduzieren. Neben den Werkzeugen der Meßkunst und Geometrie ist ganz deutlich eine Gruppe von bauhandwerklichen Dingen und eine kleinere alchemistische Gruppe zu unterscheiden, wahrscheinlich soll die siebenstufige Leiter am Turm auf Astrologie deuten, mit der ja audı die Mensula Jovis zusammenhängt. Alle diese Dingkomplexe sind sämtlich dem Saturn zugeordnet, der ja niht nur der Herr der Geometer, sondern auch der Alchemisten und vor allem der Baumeister, Steinmetzen und Holzarbeiter, mithin der in den Hütten und Zünften der Bauleute geübten Gewerke ist. In den Bauhütten mit ihren audı moralischreligiösen Gemeinschaftstendenzen haben gewisse Meß- und Bauwerkzeuge neben ihrer praktischen aud eine symbolische Bedeutung als Abzeichen und als Lehrzeichen für die Mitglieder angenommen, eine ähnliche Tendenz zu moralischem, metaphysishem Nebensinn hatten naturgemäß auch die Hauptinstrumente der Alchemie und Astrologie. Gewisse Gegenstände, weil allen diesen Tätigkeiten gemeinsam und zur symbolischen Auslegung besonders geeignet, bekamen eine überragende Lehrbedeutung. So sind bei Dürer wohl Winkelmaß, Zirkel, Meßstab, der große unregelmäßige, noch zur Regelmäßigkeit zu behauende Bloc (vergl. den „rauhen Stein” der Freimaurerei als Lehrbild der moralishen Arbeitsaufgabe am eigenen Selbst), vielleiht auch die siebenstufige Leiter, das Stundenglas, die Uhr, der Mühlstein, die Kugel u. a. wohl als Einzelsymbole zu lesen, während im übrigen nur ganze Gruppen von Gegenständen auf die moralische Sinnbildlichkeit gewisser Tätigkeiten und Berufe und auf ihre erzieherishe Wirkung hinweisen. Der Schlüssel für diese Lehrzeihen-Symbolik ist gewiß nicht — hier stimmen wir Saxl gegenüber Giehlow zu — in dem gelehrten Humanistenwerk der Ägyptischen Hieroglyphen des Horapollo zu finden, die Dürer für die maximilianishe Ehrenpforte benutzte. Er findet sich vielmehr

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