Illustrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.
54 Illuſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.
ſowie die ſeiner untergebenen Behörden auf Maueran\hlägen oder in franzöſiſchen Zeitungen lieſt, tut man gut, zur Karte zu greifen Und ſih auf dieſer unpartetiſ< den Sachverhalt Üarzulegen.
Vom erſten Mobilmahungstag an ſammelten ſich die franzöſiſchen Hauptſtreitkräfte im Raum bei Belfort, um von da aus gegen die erwarteten deutſchen Streitkräfte vorzugehen, deren äußerſter re<hter Flügel — wenigſtens nah der öffentli in Büchern verſchiedener franzöſiſcher Generäle und ſonſtiger Militärſchriftſteller geäußerten Anſiht — ſi höchſtens bis in die Gegend zwiſhen Meß und Diedenhofen erſtre>en ſollte. Statt deſſen drangen niht meniger als fünf deutſhe Armeen in fräftigem Anſturm nördlih Diedenhofen gegen Weſten vor, während die ſranzöſiſhen Maſſen bei Belfort einen Luftſtoß mahtén. Zwar erzielten leßtere einen anfänglihen Geländegewinn, der ſie bis nah Mülhauſen führte. Doh mußten ſie ſih bald nahher flu<htartig zurü>ziehen, um niht ſüdwärts gegen die \<hweizeriſhe Grenze getrieben und abgeſhnitten zu werden. Der Hauptkampf fand natürlich in der großen Ebene Des OgHsfelds ſowie ſüdlih daran anſchließend im Burgunder
Loch ſtatt, dem großen, 30 Kilometer breiten franzöſiſchen
Einfallstor zwiſhen Südvogeſen und Schweig. Der Haupt=ſtoß, mit dem man die Eindringlinge abſ<hneiden wollte, wurde in Richtung Sulz-Sennheim geführt. Der Gegner merkte jedo< die Gefahr und zog ſi ſchleunigſt ZUrÜ.
Ein zweiter franzöſiſher Vorſtoß dur<h das genannte Einfallstor führte gegen eine <hwache Beſeßung von Landwehr- und Landſturmtruppen zu einem zweiten feindlihen Einzug in Mülhauſen. Doch dauerte die Freude nur wenige Tage, bis deutſhe Verſtärkungen eingetroffen waren. Dann begann der Rüdzug des Gegners an dieſer Stelle zum _ Zweiten Male. :
Ein dritter, groß - angelegter feindliher Einfallverſu< fonnte ſhon im Keime erſti> werden. Die Stellungen blieben ſeither im großen ganzen dieſelben.
Ebenſo wie in den Argonnen das Waldgebiet nur allmäh= lih in die Kampfhandlung einbezogen wurde, na<hdem es vorher nur von fleineren Abteilungen und Patrouillen durHſuht worden war, begannen die ſüdlihen Bogeſen=fämpfe ſi erſt nah und nah zu entwi>eln. Der Grund dafür iſt, daß man beiderſeits der Anſicht war, eine bedeutende Vernihtungſhlacht könne nur in günſtigem, aber niht in ſhwierigſtem Gebirgsgelände geſhlagen werden. Deshalb hielt man die Kräfte mögli<hſt zuſammen und ſträubte ſih gegen jede Zerſplitterung, die eine Einbuße an Gefehtskraft für die erſehnte Entſheidungſchlaht herbeigeführt hätte und zudem völlig unnötig ſchien, da der Gegner ebenfalls im allgemeinen ſtärkere Kräfte nicht in die unwegſamen Wälder und auf ſteile Felſenkuppen anſeßte.
Es lohnt ſi, auf Beſchaſfenheit und Lage der Vogeſen ſowie ihren Einfluß auf die Kämpfe jener Gegend näher einzugehen. Man unterſcheidet drei rieſige Rü>en in Ausdehnungen von 60, 40 und 80 Kilometer: Untere, Mittlere und Obere oder auh Süd-Vogeſen. Sie ſtreichen alle ungefähr von Nordoſten nah Südweſten und ſind ineinandergeſchachtelt (ſiehe au< die Vogelſhaukarte Bd. I, S. 864). Als Grenzpunfte kann man — um bekanntere Namen zU nennen — zwiſhen Süd- und Mittleren Vogeſen Schirme>, zwiſchen Mittleren und Unteren Vogeſen Zabern anſprechen. Die deutſh-franzöſiſhe Grenze läuft durch die Mitte der Mittleren Vogeſen. Alle drei Höhenzüge ſind diht mit Wäldern bewachſen, die auf franzöſiſher Seite allerdings großenteils. abgeforſtet und niht wieder angepflanzt wurden. : j
In der Bodenbeſchaffenheit finden ſih jedo< zwiſchen Mittel- und Südvogeſen, die uns als Kampfplaß ja aus\hließli< angehen, große Unterſchiede. Erſtere beſtehen aus Sandſtein, ſind ein richtiges Mittelgebirge, zerklüftet, mit ſteilen Abfällen in die tief eingeſ<hnittenen Täler. Da=gegen beſtehen leßtere aus Granit und Porphyr und haben alpinen Charakter ſowie einen faſt dur<hlaufenden Kamm mit Längstälern und unbewaldeten Gipfeln. Beide Gebirge fallen leider nah der oberrheiniſhen Tiefebene bedeutend ſteiler ab als na< der franzöſiſchen Seite, wo ſie eine ſanft abfallende ſchiefe Ebene bilden. Dieſe Ungunſt des Geländes erſ<hwert natürli die deutſhen Angriffe, Den Munitionserſaß auf den vielgewundenen ſteilen Bergſtraßen und die Tagesleiſtung der Verpfſlegungskolonnen ungemein (ſiehe Bild Seite 53). Dazu kommt noh, daß die ſtarke
Feſtung Belfort mit ihren weittragenden Geſchüßen eine An=-
näherung ohne genügende Artillerievorbereitung mit ſtarten
Verluſten für den Angreifer abweiſen kann. Wir haben aber an der engeren Einſchließung Yperns, an dem Vor-
gehen in Kurland, der Eroberung von Stryj, der Zurü>Ë -
gewinnung von Przemysl geſehen, daß die großen, wWihtigen Kriegſchaupläße an anderer Stelle liegen.
Nur kleinere Gebirgsfämpfe — allerdings ſehr erbitterte — wurden vom Hartmannsweiler Kopf und der dortigen Front gemeldet, die ſi im allgemeinen dem Gebirgsfkamm anſhmiegt von Sèennheim bis Markirch.
Eine fleine Epiſode der dortigen Kämpfe, die des Hu=-
mors niht entbehrt, ſei beſonders erwähnt. Bei Dammer=
kirh befanden ſih zwei wichtige Eiſenbahnüberbrü>ungen, die beide von uns in den erſten Kriegsmonaten Zerſtört worden waren. Seit mindeſtens 6 Monaten bauten die Franzoſen unermüdli< an der Wiederherſtellumg wenigſtens der einen Eiſenbahnbrü>e, in der Hoffnung, die „boches“
würden es niht merken oder wenigſtens nihts dagegen
unternehmen fönnen, da die Brü>te mehrere Kilometer hinter der franzöſiſhen Stellung lag. Kaum bra endli<
der ruhmreiche Tag der Wiedereröffnung an, als wix Deutſhe
gerade im Augenbli> der Belaſtungsprobe dur wenige DDor=züglihe Schüſſe unſerer längſt auf der Lauer liegenden
_\<hweren Mörſer die mühevolle Arbeit mit Leichtigkeit zer=-
ſtórten. „Oft findet Überraſhung ſtatt da, wo man's niht erwartet hat!“ e
Rings um England und zu den Dardanellen.
í (Hierzu. Bilder und Kartenſkizze Seite 41—46.)
U-Boote in den Dardanellen! Das mag kein feiner Schre> für die Engländer geweſen ſein. Abex nicht für ſie allein. Auch für die beteiligten Flotten ihrer Verbündeten.
Selbſt in Deutſhland war das Publikum überraſcht. Die -
Zeitungsleſer ſtaunten und hofften, daß es ſi< als wahr herausſtellen möhte. Es war zu ſhön, als daß man es ſo ohne weiteres glauben wollte.
Ähnlich war es bei Beginn des U = Boot - Krieges Und bei der erſten Torpedierung in der Iriſhen See. Nicht nur die Gegner, ſondern au< wir Deutſche ſuchten die bisher unerhörten Leiſtungen zu verſtehen, indem wir ſie zer=gliederten, zerteilten. Man raunte und fahndete na< einer geheimen Operationsbaſis an der engliſhen Küſte. Man fand ſie niht. Sie war gar niht vorhanden. Man vermutete Transporte zerlegter U-Boote auf dem Landweg na< den Dardanellen. Man hatte ſi getäuſcht. Das Unglaublihe war Wahrheik geworden — die Fahrt von der Nordſee bis zu den Dardanellen mit Unterſeebooten.
Es war noh zu der Zeit, als ſogar in Fahkreiſen die Anſicht herrſchte, daß ein Unterſeeboot nux einen ſehr fleinen Aktionsradius beſiße, der es wohl faunz dazu be=fähige, längere Zeit an Englands Küſte zu weilen, da wurden die beiden Linienſchiffe „Triumph“ und „Majeſtic“
in der Nähe der Dardanellen torpediert. Und der Meiſter- i
ſhüße war in der Tat ein deutſhes U-Boot. Es hatte ſi mit ſeinem Kommandanten, Kapitänleutnant Herſing, ſhon einen Plaß in der Kriegsgeſhihte geſichert. Am 15. September 1914 war der engliſhe Kreuzer „Pathfinder“ dur< dieſes Fahrzeug in die Luft geflogen, und au< fünf eng-=liſchen oder franzöſiſhen Frahtdampfern hatte es na< und nah zur leßten Fahrt auf den Meeresgrund verholfen. Kapitänleutnant Hexrſing ließ zum exrſteninal einen Einbli> in den Seeweg und in die Leiſtungen ſeines U-Bootes tun, als er fi einem Preſſevertreter gegenüber offen über ſeine Erlebniſſe auf der Fahrt über Gibraltar äußerte. Man erhält au< aus anderen Schilderungen folgendes
Vild: Leiſe ſhaukelnd und mit kleinen Wellen ſpielend liegt
das U-Boot in Wilhelmshaven. Unſcheinbar im Bergleih zu den anderen Rieſenkoloſſen, aber trußig und ſelbſtbewußt.
Die lezten Vorbereitungen ſind getroffen. Die Maſchinen
und Motore ſind zur Prüfung angelaufen und WULrden wieder abgeſtellt. Es klappte. Ordnung und Sauberkeit waren während der mehrtägigen Ruhepauſe bis in die hinterſten Winkel gedrungen, um den Jnſaſſen das Wohnen auf engem Raum nah Möglichkeit zu erleihtern. Offiziere und Mannſchaften haben auf Vorrat geſhlafen. Wer weiß,
ob ſie ſo ſ<hnell wieder zum Ausruhen kommen!
Es rauſ<ht und plätſchert mit urwüchſiger Kraft. Weiße
Wellenkämme peiiſhen auf. Langſam gleitet das Boot