Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, str. 303

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ſ{hwinget Eure Waffen nur gegen Fene, die ſih Euch in den Weg ſtellen ſollten. Fndem Fhr die Grenze überſchreitet, dürft Jhr nicht vergeſſen, daß wir dem Principe der JFutegrität(Unverleßtheit)des Ottomaniſchen Kaiſerreiches inſolange treu bleiben, als uns der Widerſtand der kaiſerlichen Armee niht zwingenwürde, dem Waffenglüce den Ausgang unſerer heiligen Sache anzuvertrauen. Unſere Bewegung iſt eine rein nationale. Dieſelbe {ließt alle Elemente des ſocialen Umſturzes und des religiöſen Fanatismus aus. Wir ſind niht die Träger der Revolution, der Flammen und der Vernichtung, ſondern deê—Rechtes, der Ordnung und Sichérheit. Schonet die Ausländer und erweiſet Ahnen jene Gaſtfreundſchaft, welhe die Serben auszeihnet. Achtet die Grenzen der bena barten Monarchie und gebt keinen Grund zur Unzufriedenheit der kaiſerlihen und föniglihen Regierung, welche ſih ein Necht auf unſere Dankbarkeit erworben hat, indem ſie Tauſende hilfloſer Bosnier und Herzegowiner in ihren Schuß nahm und dieſelben vor Hunger und Kälte ſ{<üßte.

Brüder! Voll Zuverſicht in Eueren Patriotismus und Euere friegeriſhen Tugenden werde ih mit Euch und an Euerer Spiße marſchiren. Mit uns ſind die tapferen Brüder Montenegriner: Unter 1hrem. ritterliden Führer, meinem Bruder dem Fürſten Nikolaus. Mit uns ſind unſere wundervollen Helden, die Herzegowiner und die vielgeprüften Dulder, die Bosnier. Unſere tüchtigen Brüder, die Bulgaren, warten auf uns, und von den glorreihen Hellenen fönnen wir erwarten, daß die Enkel des Themiſtokles und Bozzaris niht lange von dem Kampfplaße ſich ferne halten werden. Gehen wir alſo- vorwärts, meine edlen Helden, gehen wir im Namen des allmächtigen Gottes, des für alle Völker gere<ten Vaters, gehen wir im Namen des Rechtes, der Freiheit und der Bildung.“

Bevor die ſerbiſchen Truppen die Grenze überſchritten, wurde im Lager von dem Belgrader Metropoliten Michael eine feierlihe Meſſe geleſen. Fürſt Milan communicirte, ergriff ſodann die Fahne und ſ{wenkte ſie mit dem Rufe: „Mir na<, Brüder!!! —

Der Grenz-Uebertritt wurde unter Jubel ausgeführt und General Tſ\chernajeff erließ ſofort eine Proclamation an die geſammten <riſtlihen Völker der Balkan-Halbinſel, in welcher es hieß:

„Mit zum Himmel gewandten Blicken und im Vorgeſühle des Sieges betreten wir Euer Land,

um Euch aus den Bauden der Barbaren zu be--

freien. Bienenſhwärmen gleih laufen unzählige ihrer waffenfähigen Jünglinge zu unſeren Fahnen, ſie erbli>en in uns die Retter ihres unglü>lihen Vaterlandes, das wir der mörderiſchen Hand des Feindes, der Euh Euerer Menſchenrechte, Euerex Sprache, Euerer Religion berauben will, entreißen wollen. Wir kämpfen für das orthodoxe (ſtrenggläubige) Kreuz, an welchem der Welterlöſer ſiegend ſtarb; wir kämpfen für unſer Haus und unſeren Herd, für unſere weinenden Mütter, Töchter und Gattinnen, wir kämpfen für die Civiliſation, die no< vor der Schlacht bei Fsmael dur<h den Halbmond zu erlöſchen bedroht war.

Muth denn, Du beſchimpftes, 'entehrtes und verleumdetes Volk! Der Finger Gottes zeigt Euch den Weg des Ruhmes. Wir werden nicht unterliegen und ſollte uns das wandelbare Glüc verlaſſen, ſo wird dieſer heilige Boden mit dem theueren Blute des ruſſiſhen Brudervolkes getränkt, und dieſe Berge und Schluchten werden zum leßtenmale vom Waſffengeklirr und Kanonendonner erdröhnen. Die niht am Kriege betheiligten Mohammedaner nehmen wir, ſowie ihre Ehre, ihr Hab und Gut in unſeren Schuß und wir heben nur die Waffen gegen Diejenigen auf, welche für die Sklaverei gegeu die Freiheit kämpfen wollten. Die Chriſten aber, nahdem wir ſie mit Proviant, Waffen und Munition verſorgt haben werden, müſſen fi< ſelbſt in Schuß nehmen, und wer das nicht thut, iſt unſer Feind, den erwartet nichts als {<mähli<her Tod oder noh \{<mähliheres Leben.“

Sehen wir uns nun auch ein wenig den ObercommandantenderſerbiſhenTruppenan. Generalmajor Michael Grigorjewitſ< Tſchernajeff war im Fahre 1828 geboren und ſtammte aus einer alten adeligen ruſſiſchen Familie. Seine Erziehung beendete er im beſtandenen adeligen Regimente im Fahre 1848 und ward Feldwebel in dem Pawlowskij LeibgardeRegimente. Jm Fahre 1851 beendete er den Curs der Wiſſenſchaften in der Nikolajewer MilitärAkademie, bald darauf ward er zu der MuſterCavallerie und Artillerie zugetheilt und dieſes Studium dur<hmachend, wurde er dem Generalſtabsdienſt des vierten Fnfanterie-Corps zugeordnet, welches ſeine militäriſhen Operationen an der Donau eröffnete. Mit dieſem Augenbli>e begann eine faſt ununterbrochene Reihe von Auszeihnungen in der Befähigungs-Tabelle Tſchernaje ff's, welcher ſi< an allen ruſſiſchen militäriſchen Unternehmungen: an der Donau, bei Sebaſtopol, im Kaukaſus und in Central-Aſien betheiligte. Man fann ſagen, daß Tſchernajeff vom Fahre 1853 bis 1866 faſt nie aus dem Kampfesfeuer heraus=fam. An der Donau war er in dreiundzwanzig Gefechten und Schlachten, im Kaukaſus - in vierundzwanzig; als ſelbſtſtändiger Commandant in Central-Aſien commandirte ex perſönlich faſt in