Jakob Böhme's sammtliche Werke : in seiben Bänden

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Reuen und Verziveifeln an; dein jie empfindet, daß fie ift ein eitel folder ängfiliher Greuel worden, und jhämet fid, daß fie jollte mit ihrem falfhen Willen zu Gott eindringen; ja fie fann au) nicht, denn fie it im Grimm gefangen und ift felber ein eitel Grimm und hat fi) damit eingeihloffen durd) ihre falfhe Bes gierde, welche fie in fich eriwedet hat. Und weil Gottes Licht nicht in ihr jheinet und feine Liebe fie nicht berühret: jo ift fie eine große Finfterniß und eine peinliche, ängftliche Seuerqual, und träget die Hölle in fih, und fann das Licht Gottes nicht fehen. Alfo mwohnet fie in fih felber in der Hölle und bedarf feines Einfahrend. Denn wo fie innen ift, fo ift fie in der Höllı, und ob fie fih viel hundert taufend Meilen könnte von ihrer Etätte [hwingen, To ift fie do in folder Qual und Finftermg.

39. Der Sünger fpray: Wie denn, daß die 9. Seele in diefer Zeit jolh Licht und große Freude nicht mag vollkommen empfinden, und der Gottlofe die Hölle aud) nicht fühlet, weil beides im Menfchen ift und je eines im Menjchen wirker?

Der Meifter fprah: Das Himmelreih ift in den Heiligen in ihrem Glauben wirfend und empfindlih; fie fühlen Gottes Liebe in ihrem Glauben, dadurdh fih der Wille in Gott einergicht; aber das natürliche Leben ift mit Fleifh und Blut umgeben und ftehet im Gegenfaß des Zornes Gottes, mit der eiteln Luft diefer Welt umgeben, weldhe das äußere tödtliche Xeben ftet3 durchdringet; da auf einer Seite die Welt und auf der andern Eeite der Teufel, und auf der dritten Seite der Flud) des Zornes Gottes im Fleifc und Blut dag Keben durddringet und fihtet, dadurd) die Geele oft in Angst ftehet, wann aljo die Hölle auf jie dringet und fi) in ihr will offenbaren. Sie aber erfinfet in die Hoffnung göttlicher Gnade ein, und ftehet ala eine fhöne Rofe mitten unter den Dornen, bis diefer Welt Neih von ihr fällt im Sterben des Keis bes. Alsdann wird fie erjt recht in Gottes Tiebe offenbar, wann fie nichts mehr hindert. Sie muß diefe Zeit mit Chrüfto in diejer Welt wandeln, Chriftus erlöfet fie aus ihrer eigenen Hölle, indem er fie mit feiner Liebe ducchdringet und bei ihr in der Hölle jtehet und ihre Hölle in Himmel wandelt. Dab du aber jpracheit, warum der Gottlofe in diefer Zeit die Hölle nicht fühlet, fage ich: er fühlet fie wohl in feinem falfhen Gewiffen, aber ev verjichet das nicht; denn er hat noch die irdifche Eitelkeit, mit der er fid) beliedet, daran er Freude und Wolluft hat. Auch hat das äußere Leben noch das Licht der äußern Natur, darinnen fih die Seele beluftiget, daß alfo das Reinen nicht mag offenbar werden. Wann aber der Leib ftirbet: jo fann die Seele folder zeitlihen Wollujt nicht mehr geniegen und ift ihr aud das Licht der äußern Welt