Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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„Eine Oberſthofmeiſterin wie ſie ſein ſoll“ ſtammt wahrſcheinlich aus dieſer Zeit; als eine Art Selbſt= Juſtruktion iſt es immerhin mexkwürdig und darf wohl hier einen Plaß finden.

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Was die äußere Haltung anbetrifft, ſo ſoll eine Oberſt= hofmeiſterin ihren Kopf aufreht halten, grade gehen, ein leut= feliges aber würdiges Weſen haben und ſih anſtändig verbeugen, nicht, wie man jeht thut, mit dem Kopfe, ſondern mit den Knieen ſi< ehrbar und feierli<h herabſenken und langſam und ſtattlich wieder erheben.

Sie muß höflich gegen Jedermann und ehrerbietig gegen ihre Herrſchaften ſein, es mag geſchehen was da will, und muß ſi< nie vergeſſen. Gegen ihre Untergebenen und ihre Dienſtleute - freundlih und ohne Hochmuth, niht zu ſtreng gegen die Jugend, ihr aufrichtig und herzlich die Wahrheit ſagen aber niht vergeſſen, daß auh ſie einſ jung war und auch die Macht der Liebe gefühlt hat. Wohl iſ es ihre Pflicht, fich Achtung und Vertrauen zu erwerben ; aber dennoh< muß ſie niht zu vertraut und familiär mit Anderen ſein und muß in der Welt und an Hof auf gute Sitten und die hergebrachten Regeln der Etikette ſehen; aber im häuslichen und täglichen Verkehr darf ſie dieſelben bei Seite ſehen und nur trachten Allen das Leben angenehm zu machen. So viel als mögli<h ſoll ſie ſih befleißigen eine re<t gleihmäßige heitere Stimmung zu haben, denn weil die Jugend eine Oberſthofmeiſterin gemeiniglih niht mehr zu drücken pflegt und ſie deren Reize entbehrt, muß ſie dieſelben durch jene Liebenswürdigkeit exſeßen, die eine immer gute Laune und heitere Unterhaltung mit ſi bringt und auch die langen Erzählungen