Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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Handlungen, von einer ernſten religiöſen Denkungs- Weiſe, war ihrer jungen Seele eine feſte Stühe, während er ihr nie anders als mit der innigſten Verehrung und Liebe begegnete. Jh konnte in jenen erſten Monaten ihrer Che nicht exwaxten, daß die junge Fürſtin mix ſogleich ihr volles Vertrauen ſchenken würde. Dex Unterſchied der Jahre war zu groß zwiſchen ihr und mir; auh hatte ſie etwas Verſchloſſe= nes in ihrem Charakter, und ih muß ſagen, zum Glüd und mit Recht eine große Zurückhaltung, die ſie abhielt, ſih gegen Perſonen, die ſie niht näher kannte, offen auszuſprechen. Aber dies Alles wax denno< ſchwer für mich und ih hatte damals eine trübe Zeit zu beſtehen, ehe es mix endlich gelang, das Vertrauen meiner Prinzeſſin in Wahrheit zu erwerben und ihr näher zu treten. Dem Kronprinzen allein gebührt das Verdienſt, ſie in dem Augenbli> der Gefahr, wo fremde Einflüſſe ſich zwiſchen ihn und ſie einzudrängen drohten durch ſeine Treue, ſeine Wahrhaftigkeit und ſeine Feſtigkeit vor denſelben bewahrt zu haben. Auch war damals mein einziges Beſtreben, die edle junge Frau, ſo oft ih durfte, darauf hinzuweiſen, daß Niemand ihr volles Vertrauen beſitzen, Nie= mand ihr Rathgeber ſein dürfe als ihr Gemahl.

Den 1. April gingen die Herrſchaften für einige Monate nah Potsdam und das machte den Beſtrebungen verderblicher Menſchen mit einem Mal ein Ende. Die Prinzeſſin folgte mit liebender Zuverſicht ganz der Leitung ihres Gemahls; er führte ſie in ſich ſelbſt zurü> und ihre im wahren Sinne des Wortes erhabene Seele fand ſih wieder in dem ungetrübten Einklang mit ſich ſelbſt und ihrem eignen reinen Wollen und Streben. Jedes ſtörende Element war verſchwunden und nun begann für ſie an der Hand des beſten Gatten ein zufriedenes