Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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auf der Newa ſtatt, abex die Kälte war dermaßen groß, daß es unmögli<h war die armen Truppen im Parade- Anzug ausrücken zu laſſen, und deshalb konnte auch die große Ceremonie der Einſegnung nicht ganz ſtatthaben. Es wurde nux eine kurze Feier veranſtaltet mit einer geringeren Anzahl von Truppen als gewöhnlich, die aber doh ſehr ſ<hön und großartig war. Ein Tempel war mitten auf dem Eisſpiegel der Newa errichtet worden, in welchem der oberſte Biſchof die Einſegnung der Fahnen vornahm; inmitten desſelben hatte man ein Loh in das Eis gehauen, aus dem er ſelbſt das Waſſer ſchöpfte, mit welchem ex die Fahnen beſprengte.

Man ſchi>te dann von dieſem heiligen geſegneten Waſſer den beiden Kaiſerinnen und allen Ruſſen, die ſih damit ſegnen. Der Kaiſer ſtarb faſt vor Kälte und dennoch hielt er dabei aus und das ganze Volk war da in dichtgedrängten unabſehbaren Schaaren von Menſchen; das Ganze war in der That großartig und feierlih; die Geiſtlichen in ihren Feſt-Gewändern ſehen ſehr gut aus. Zum Schluß wurde eine Meſſe auf der Newa geleſen und dann zog dieſer unzählige Haufen von Geiſtlichen in großem Pomp mit brennenden Kerzen in einer langen Prozeſſion an uns vorbei, die Truppen und alles Volk hinter ihnen her über die ganze Newa hin=weg in einem weiten Kreiſe und eben ſo wiedex zurüc>. Nachher war Déjeuner bei der Kaiſerin Eliſabeth; ſie iſt doh wirkli reizend, aber ach, wie ſchre>li< unglü>li< iſt ſie! — Das Familien-Dinex wax bei der Königin. Abends Theater: „Der Verſchwender“; das Stück wurde ſehr gut gegeben und während der Zwiſchenacte wurden ſehr hübſche ruſſiſche National-Tänze vom Corps de Ballet aufgeführt; es dauerte bis na<h 11 Uhr.