Sadismus, Masochismus in Kultur und Erziehung

Sadismus, Masochismus in Kultur u. Erziehung. 23

Seine sexuellen Phantasien waren identisch mit Coitusphantasien. Jedes junge Mädchen betrachtete er von diesem Standpunkt und glaubte mit jeder coitieren zu können; die Frage, wie dieses zu beginnen sei, hielt ihn in fast kontinueller moralischer (nicht sexueller) Exzitation: er bildete sich ein, jeder könne es tun, nur ihm gelinge es aus bestimmten Gründen nicht. Ergo Minderwertigkeit! Also alles tun, um die organische Minderwertigkeit zu verbergen; Mittel dazu sind: Prahlerei mit seinem Reichtum, mit seiner Toilette, Familiarität mit seinem Professor, sich interessant machen durch seine Nervosität, welche er seinem pikanten Leben in Paris zuschrieb. — Der Junge hätte einen Horror vor dem reifen Weibe und reagierte sexuell nur auf Mädchen zwischen 16 und 20 Jahren. Er hatte mir gestanden, daß er vom elften Jahre an Onanie getrieben und noch jetzt dieselbe, zwar seltener, betreibe. Oft geriet er nach längerer Unterhaltung, sog. Flirt, mit einem sechszehnjährigen Mädchen unserer Bekanntschaft in so große Exzitation, daß er für einige Zeit abschwand, um sich zu masturbieren; dann kam er geschwächt, bleich zu mir mit der Bitte, ich soll doch sein Herz untersuchen, da er oft unregelmäßiges Herzklopfen verspüre; er wolle nun die Mädchen beiseite lassen und sich mit ernster Literatur und Poesie beschäftigen. Ich muß noch eines interessanten Symptoms gedenken, nämlich, daß der Junge sich mir und allen anderen gegenüher für katholisch ausgab, sich über anwesende Israeliten belustigte und sich endlich seiner Umgebung gegenüber als streng katholischen Royalisten ausspielte, was ihn in den Augen der Umgebung, welche aus jungen Mädchen, eleganten Damen, einem Marquis, diversen Edelleuten und Kapitalisten bestand, sogar über seinen Professor erhöhen mußte, welcher, wie er wußte, antikonfessioneller Republikaner war. —

Summa summarum während des einen Monats, welchen ich ihn im Sanatorium beobachtete, war sein Zustand in fortwährender nervöser Spannung; der Tag verging unter Szenen zwischen ihm und seiner nervösen Mutter, unter Flirtspiel während welchem er zwischen dem Gefühl moralischen und physischen - (speziell sexuellen) Unbefriedigtseins schwebte; endlich unter Schachspiel und Conversation in meiner Gesellschaft, woer trotz