Sadismus, Masochismus in Kultur und Erziehung
25 Sadismus, Masochismus in Kultur u. Erziehung.
wirklich von seiner autosuggerierten Nervosität sich befreien will; er sehe ja selbst, wie sich sein Zustand in kurzer. Zeit gebessert habe. Nach kurzen Einwendungen schüttete der Junge mir sein Herz aus; erzählte von seiner verfehlten Erziehung; gestand, daß er mit öffentlichen Weibern nur masturbieren könne, daß ihn nur Mädchen zwischen 16-18 Jahren sexuell reizen usw. —
Das Eis war gebrochen und ich hatte nun die Möglichkeit nach allem zu fragen, alles zu beobachten und zu kontrollieren. In die Schweiz, ins Sanatorium zurückgekehrt, verbrachte er den ganzen Tag auf Spaziergängen, mied die Gesellschaft der Anstalt, machte mehrere nicht üble Gedichte, interessierte sich für ernste Fragen der Wissenschaft und erzählte mir mehr kameradschaftlich so manches Interessante aus seiner Kindheit, was mir vieles klar machte. Nach einigen Tagen verließen wir das Sanatorium und gingen ins Gebirge, wo wir sieben Wochen verbrachten. Während dieser Zeit erzählte er mir, wie er schon als zwei- bis dreijähriges Kind von einer englischen Nurse körperlich bestraft worden sei; als neun- bis zehnjähriger Junge hatte er eine etwa 40 Jährige Gouvernante gehabt, welche ihm alle Morgen in die Augen geschaut habe und mit den Worten cernes (umrändert) zum Vater gegangen sei, und letzterer dann eine unbarmherzige Exekution in Gegenwart der Gouvernante an ihm unternommen habe. Das sei so oft vorgekommen, daß seine Mutter die Gouvernante endlich entlassen habe. Es sei ihm schon in frühester Jugend ein langes Hemd angezogen worden, welches unten zugebunden wurde; fand man nun nachts oder morgens das Hemd hinaufgerutscht, so gab es Schläge; er habe oft vor Angst nicht einschlafen können und sei auch nachts erwacht, aus Angst, daß das Hemd sich verschieben könne. Zu der Zeit habe er von Onanie nichts gewußt; als er auf Zusprechen der sadistischen Gouvernante vom Vater so oft geschlagen wurde, hat ihn erst jemand von der Seite über den Grund der Züchtigung aufgeklärt und erst dann wurde er professioneller Onanist. Das Sexualgefühl war also in Angst und Schmerz geboren; er hatte von seinem Vater die erniedrigendsten Vorwürfe in dieser Beziehung zu ertragen; vor dem Weibe (nicht dem Mädchen) hatte er einen Horror.