Zwölf Tage auf Montenegro : Heft 1. Reisebericht

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Die Scharten, welche die tödtlichen Hiebe des Hangyar in ſeine breite Klinge gehauen, mußten hier ausgeweßt, die durch den ſchmetternden Schlag der Flinte aus ihrer Kolbe geſprungenen Belagſtücke erſet, ſtatt der geſprengten Piſtolenläufe neue. eingezogen, auch ältere geraubte Waffen zu neuen Treffen neu zugeſtußt werden. Bis zum ſpäten Abende wurde der regelmäßige Hammerſchlag fortgeſebt und tónte mir noch lange in den Ohren. Er erinnerte mich daran, daß die Wirklichkeit der blutigen Montenegriniſchen Kriege, von welchen ich bis dahin erzählen gehört hatte, mir ‘nahe getreten ſei; ja die Eile und Sorglichkeit, mit der die Waffen gefertigt und gemuſtert wurden, ließ mich, ſolcher Scenen ungewohnt, faſt für die nächſten Tage etwas im Geheimen Vorbereitetes vermuthen.

Das Gaſthaus verließ ih am heutigen Tage nicht mehr, theils weil mein Petrarca, ohne den ich mich doch noh kaum würde haben zurecht finden fönnen, ſich ſhon ein Pläßchen ausgeſucht hatte, um nach den Mühen des heißen Vormittags auszuſchlafen, theils, weil ih nach dem ſieben- bis achtſtündigen ermüdenden Marſche ſelbſt einer frühen Ruhe entgegen ſah; nichts deſtoweniger überraſchte mi<h heute noh die Erſcheinung des Vladika von Montenegro. *)

Nach, wie ih ſpäter bemerkte, gewohnter Weiſe, unternahm derſelbe nämlich gegen Abend einen Spaziergang in der nächſten Umgebung von Cettigne, bei welcher Gelegenheit er auh an meinem Fenſter vorbeiſchritt. Jch erſtaunte über ſeinen Anbli>. Man denke ſih einen jungen Mann von 27 Jahren, gegen ſieben Fuß hoh und von fräftigem Körperbau. Mit edler Haltung ging er langſam vorüber. Sein Blick, ſo weit ich ihn erkennen fonnte, war ernſt und milde. Er trug einen rothen, tuchenen Fez *) mit einem ſeidenen türkiſchen buntfarbigen Schawl um-

%#) Der Vladika (Herr) iſt das geiſtlihe und weltliche Oberhaupt der Montenegriner. Seiner geiſtlihen Würde nach iſ er Erzbiſchofz ſeiner politiſchen nah Fürſt mit wohl unumſchränkter Gewalt. Früher war die weltliche Macht in den Händen eines Statthalters, der aber ſeit 1832 abgeſchafft iſt. Y

**) Eine orientaliſhe Kopfbede>ung, die einer mehr oder weniger hohen Kappe gleicht. ‘