Zwölf Tage auf Montenegro : Heft 1. Reisebericht

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zuwarten. Bei dem ſchlichten, einem patriarchaliſchen Verhältniſſe alter Zeiten ähnlichen Leben in der Umgebung des Vladika, ivo alle Mitglieder, wie durch ein Familienband verknüpft erſcheinen und es auh wirkli oft ſind; wo, bei der Einfachheit der alltäglihen Bedürfniſſe der Schwarm einer dienenden Klaſſe fortfällt, wo jeder Dienſt wie von einem Freunde, dem Freunde geſchieht, fällt ſo etwas niht auf. Vielmehr {ät ſich jeder Montenegriner glü>li<h ſih in der nächſten, täglichen Umgebung des Vladika zu befinden. Außerdem muß man bedenfen, daß Cettigne nicht eine Reſidenz iſt, in deren friedlichen Mauern ih fürſtliche Feſte, an Feſte reihen, ſondern ein offenes Heerlager in unruhigen Kriegeszeiten , ein Verſammlungsort von Kriegern und Feldherrn, die jeden Augenbli> nach irgend einer wichtigen Nachricht Rath pflegen, wobei unnüge Gäſte verbeten ſind. Einer der Kammerherren des Vladika war der kühne Anführer der waghalſigen montenegriniſchen Schaar geweſen , welche vor Kurzem die türkiſche Feſtung Xablja> überrumpelt und eingenommen, ſpäter aber wieder frei gegeben hatte, nachdem der Vladiéa, dem dieſe That Anfangs verheimlicht wurde, durch gewichtige Gegengründe ihn von ſeinem Vorhaben, die Feſtung inne zu behalten zurü> gebracht hatte. Zum Andenken \{hleppte man wenigſtens einige große Kanonen nach Cettigne, die gegenwärtig vor dem Kloſter liegen und ſpäter noh bei den Ringmauern der erzbiſchöflichen Wohnung benußt werden ſollen. Ebenfalls aus den edelſten Familien des Landes nimmt der Vladika ſeine Leibgardiſten, welche im Frieden ſeine Befehle in die entfernteſten Theile des Landes überbringen, im Kriege aber vorzugsweiſe die Anführer der muthigſten Schaaren ſind. Jhr gewöhnlicher Name iſt Pergianicen und ihr Chor beſteht aus dreißig Mann, welche abwechſelnd neu gewählt werden. Wenn einer oder der andere der Pergianicen heute ins Zimmer trat, ers innerte mich ſeine athletiſche Figur oft an Homers Schilderung Griechiſcher Helden, denen ihre eigenthümliche Tracht ſie no< ähnlicher zu machen ſchien. Auch ein 17jähriger Kneſe, ®) wel=-

%*) Kneſen nennt man in Montenegro die männlichen Sproſſen dex vornehmſten Familien, gleichſam die Adeligen des Landes , oder