Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 5.

v6 Klippen des Elde.

Egon hörte ihm mit tiefer Spannung zu; als Wangen von ſeiner Frau ſprach, gedachte er des ſchönen Zraumes, den er während der Nacht gehabt hatte. Jet wußte er, wem die Hand gehörte, die ſo ſanft und weich ſeine Stirne berührt und ihm die brennende Wunde gekühlt hatte. Wie ſeltſam, daß in dem Halbtraum die Erinnerung fich ſo trügeriſh geſtaltet hatte, daß er geglaubt, Lieë= chen ſei bei ihm, während es do<h Bertha geweſen war, die ihn gepflegt hatte. Oft ſchon waren in den vergan= genen Jahren die beiden Traumgeſtalten ineinander ver= ſ{wommen; er hatte von Bertha geträumt, daß er ſie in ſeinen Armen halte, und dann war es plößli<h Lieschen geweſen, meiſt endeten ſo ſeine wirren Träume und immer fühlte ex fich dann wunderbar beruhigt und beglü>t; mehr und mehr wax die Erinnerung an Bertha in ihm erz loſchen, während ihn Lieëchens holdes Bild noh oft in ſeinen ſ{bnſten Träumen umſchwebte. Es überkam ihn faſt ein Gefühl der Enttäuſchung, als er aus Wangen's Mittheilung glaubte entnehmen zu müſſen, daß Bertha ſih ſeiner fo treu und ſorgſam angenommen habe, aber er gab dieſem Gefühl feine Worte, ſolcher Undankbarkeit wollte er ſich nicht ſchuldig machen; ex dankte im Gegentheil Wan= gen herzlih für die liebevolle Aufnahme und Pflege, die er in dem gaſtlichen Hauſe gefunden habe, an dieſen Dank ſchloß er eine kurze Erklärung, wie er dazu gekommen ſei, einſt im Schloſſe Oſternau die Rolle des Kandidaten Pech= mayer zu ſpielen.

„Jh war ein verwdöhntes Kind des Glückes,“ ſagte ex. „Jh hatte alle Vergnügungen des ſtädtiſchen Lebens in