Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

Novelle vou G. Höcker. 169

einem Nechtsauwalt und trug ihm die Sache vox. Dex Mann des Rechts zu>te die Achſel und ſagte, da ſei guter Rath theuer. Recht habe eigentlich der junge Baron, aber das Familiengeſeß unterſtühe die habgierigen Verwandten. Ein etwaiger Prozeß werde wahrſcheinlih den ganzen Ju= ſtanzenweg durchlaufen, und es werde ſich ſchließli<h um die Entſcheidung des höchſten Gerichtshofes handeln, ob ein dux< Jahrhunderte beſtehendes Familiengeſeß auch deu bürgerlichen Rechte gegenüber Giltigkeit beſiße. Das ſei aber eine ſtreitige Rechtsfrage, und es käme eben Alles auf den Ausgang des Prozeſſes an. Mit dieſem Beſcheid mußte ſi<h Meiſter Müller zuſrieden geben.

Sein nächſter Gang war zu einem Notar. Der feſte Entſchluß war in ihm gereift, ſeiner Helene zu einer gliid= lichen Zukunft zu verhelfen, koſte es, was es wolle. Aber er beſaß doch wieder zu viel Gerechtigkeitêgefühl, als daß er ſeine älteſte Tochter benachtheiligt hälte, ſelbſt wo es ſein Hexrzenskind betraf. So theilte ex ſein Vermögen in drei gleiche Theile und ließ in2geheim ſeinem älteſten Kinde die erſte Hypothek auf ſein Grundſtü>k verſchreiben. Dann machte er ſi<h ſofort an das Werk und ſchi>te ungufz gefordert eine bedeutende Summe nach Peſt, wo ſich Helene gegenwärtig mit ihrem Gatten aufhielt. Die bunten Bank= noten aber ſind leichter ausgegeben, als ſie erworben werden, und der erſten Sendung folgte bald die zweite und die dritte. Dabei war no< immer keine Ausficht vorhanden, daß der Prozeß bald gewonnen wurde, und dazu wurden die Briefe, welche die junge Frau an ihren Vater richtete, inumer trauriger.