Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

Novelle von G, Höcker. IA

wach und ihre blauen Augen mit klarerem Ausdru> als ſonſt auf ſich gerichtet ſah.

Dex alte Mann {li< ſi<h bis ganz nahe zu det Bette und ſtrih ſeinem kranken Kinde mit der Hand behutſam über die heiße Stirn. Helene lächelte, aber es war ein unſäglich wehes und ſ{hmerzlihes Lächeln, und dem alten Manne that es weher, als alles Andere. Dieſes arme ſchattenhafte Weſen war ſein knospendes, roſiges Kind von ehemals. Das wollte ihm ſchier das Herz brechen. Warum hatte nur Alles ſo kommen müſſen — ex hatte es doch ſo gut gemeint!

Der alte Mann ließ ſi< auf dem Stuhle neben ihrem Lager nieder und nahm die abgemagerte Rechte ſeines Kin= des zwiſchen beide Hände.

„Mein Herzblättchen, “ ſagte er mit ſtammelnder Stimme, „was haſt Du Deinem alten Vater für Sorgen gemacht! Du biſt ja ſo krank geweſen, mein armes, liebes Kind!“

„Jh war recht böſe, Väterchen, niht wahr?“

Jhre Stimme klang ſo leiſe und zitternd, daß Meiſter Müller ſi< ganz nahe zu ihrem Munde beugen mußte, um ſie zu verſtehen.

„Du böſe, o, mein liebes Kind, wie kannſt Du nux ſo etivas ſagen? Aber Du ſollſt uicht ſprechen, Herzchen, es könnte Dix ſchädlich ſein.“

Helene lächelte nur und dann ſhmiegte ſie thr Haupt an die Bruſt des Vaters, wie ſie es oft gethan als Kind.

„Jh habe geträumt, Väterchen — ah, ſo lieb und ſ<hön — weißt Du noh, das Märchen —“

„Welches Märchen, mein Kind ?“

Bibliothek, Jahrg. 1886. Bd, XI. 12,