Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.

88 Dev Talisman des Weibes.

„Tvoy alledem,“ ſagte die Stiftsdame bedenklich, „bietet mix Dein jetziger Seelenzuſtand geringe Garantien. Körper= liches Leid verklärt bei Menſchen von Deinen Anlagen den Geiſt, gewöhnliche ‘Naturen dagegen drückt es bis zum Stumpfſinn herab. Alle Märtyrer geben hievon Zeugniß. Nun alſo, ſo ſiehſt au< Du gewiſſe Dinge in einem Lichte, welches ſpäterhin bei normalem Körperzuſtand bedeutend abgeſ<hwächt ſcheinen könnte. Warte ein Jahr!“

Der Amtsrichter, welchem die Wahrheit -des Geſagten einleu<tend genug war, ſ{<hüttelte ernſt das Haupt. „Gewiſſe Dinge vertragen keinen Aufſ<hub. Nicht der Schnell= handelnde, ſondern der Zögernde iſt in dieſem Fall der Unbeſonnene. Als Du mix damals Margarethe anvertrauteſt, geſ<hah dies unter der Bedingung, über ihre Chre zu wachen tie ein Vater. J< thue es jeht, Tante Käthe. Du haſt nux eine Wahl, i< nur eine Pflicht. Was ih Dir damals verſprach und halten kann,“ fuhr ex mit ſcharfer Betonung fort, „wiederhole ih heute: ih will über Margarethens Glü> und Wohl wachen wie ein Mann, der in thr niht das Weib ſeines Herzens, aber den Gez nius ſeines Lebens verehrt. Kannſt Du es darauf hin wagen ?“

Sie ſah ihm lange forſchend in die Augen, dann reichte ſie ihm ihre Hand. „Ja! Obwohl ih wünſchen möchte, daß Margarethe Dein Haus nie betreten hätte !“

„Dergleichen Reflexionen ſind dex Ballaſt unſeres Denk= vermögens ,“ ſagte ex abbrechend.

„Wann willſt Du mit Margarethe ſprechen ?“

Meiſchi> ſann flüchtig nah. „Thue Du es für mi,