Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

84 Vierte Ordnung: Naubtiere; fünfte Familie: Hunde.

Die Dingohündin wölft 6—S8 Junge, gewöhnlich in einer Höhle oder unter Baumwurzeln. Bei Gefahr ſchafft ſie ihre Jungen in Sicherheit. Ein Gewölfe von Dingos wurde einſt in einer Felſenſpalte aufgefunden; da aber die Mutter niht zugegen war, merfte ſih der Entdecker den Ort, in der Abſicht, bald zurüclzukehren, um der ganzen Familie auf einmal den Garaus zu machen. Als ex nach einiger Zeit zurü>fam, fand er zu ſeinem großen Ärger die Höhle verlaſſen; die Alte mochte die Spur des fremden Beſuchers gewittert und ihre Kleinen fortgeſhafft haben. An Dingos, welche in der Gefangenſchaft wölſten, beobachtete man, daß Mutter und Junge ſi< ganz na< Art des Haushundes betragen. Jm Breslauer Tiergarten, woſelbſt eine Dingohündin fünf Funge warf, von denen drei gediehen und groß und zahm wurden, durfte man beide Alten in demſelben Käfige belaſſen, da der Dingohund niemals Miene machte, der ſäugenden Hündin beſ<hwerlih zu fallen. Von den Jungen hatten vier Stü>k ganz die Färbung der Eltern, während das fünfte ſhwaxz ausſah.

Vox dem Menſchen nimmt der Dingo regelmäßig Reißaus, wenn dazu noh Zeit iſt. Er zeigt auf der Flucht alle Liſt und Schlauheit des Fuchſes und verſteht es meiſterhaft, jede Gelegenheit zu benußen; wird ex aber von ſeinen Feinden hart verfolgt, und glaubt er niht mehr entrinnen zu können, ſo dreht er ſih mit einer wilden Wut um und wehrt ſi<h mit der Raſerei der Verzweiflung; doh ſu<ht ex au< dann noh immer ſobald wie mögli<h davonzukommen. Von der Zähigkeit ſeines Lebens erzählt Bennett geradezu unglaubliche Dinge. Ein Dingo wax von ſeinen Feinden überraſcht und ſo geſ<hlagen worden, daß man meinte, alle ſeine Knochen müßten zerbrochen ſein; deshalb ließ man ihn liegen. Kaum aber hatten ſich die Männex von dem anſcheinend lebloſen Körper entfernt, als ſie zu ihrer Überraſchung das Tier ſih erheben, ſchütteln und ſo eilig wie möglih na< dem Walde begeben ſahen. Ein anderer, anſcheinend toter Dingo war ſchon in eine Hütte getragen worden, wo er abgehäutet werden ſollte; der Arbeiter hatte ihm bereits das Fell von der halben Seite des Geſichts abgezogen, da ſprang er plößlih auf und verſuchte zu beißen. Gegenwärtig gelten alle Mittel, um den Dingo auszurotten. Jedermanns Hand iſt über ihm. Man ſchießt ihn, fängt ihn in Fallen und vergiftet ihn mit Stry<hnin. Mit dem Gewehre erlegt man ihn nur zufällig; er iſt zu {heu und liſtig, als daß er öfters vor das Rohr kommen ſollte, und weiß auh ſi< auf Treibjagden treffli<h durchzuſtehlen.

Gewöhnlih hat man unſeren Hund für unzähmbar gehalten. Fn der Geſellſchaft der Eingeborenen Auſtraliens findet man aber ab und zu Dingos, welche nur in einem halbwilden Zuſtande leben. Viele Dingos, welche man bei uns zu Lande in der Gefangenſchaft hielt, blieben wild und bösartig, und ihre Wolfsnatur bra bei jeder Gelegenheit dur, ſo daß ſih ihre Wärter beſtändig vor ihnen zu hüten hatten. Auch gegen Tiere, die man zu ihnen brachte, zeigten ſie ſi unfreundlih und unduldſam. Nur mit Mühe vermochte man den Zähnen eines nah England gebrachten Dingo einen friedlichen Eſel zu entreißen, und im Pariſer Tiergarten ſprang einer wütend gegen die Eiſengitter der Bären, Jaguare und Panther. Ein in England geborener wax ſchon in der früheſten Jugend mißmutig und ſ{heu, verkro< ſih in den dunkelſten Winkel des Zimmers und ſ{hwieg, wenn Menſchen, gleichviel ob Bekannte oder Fremde, zugegen waren, ſtieß aber, allein gelaſſen, ein ſ{hwermütiges Geheul aus. Den ihn pflegenden Wärter lernte er kennen, zeigte ſih aber niemals gegen denſelben hündiſh ſ<hwanzwedelnd oder freundlih. Gegen Fremde war er mürriſch und ſcheu, und oft und gern biß er ſo recht heimtü>iſ<h nah Vorübergehenden. Nach jedem Angriffe zog er ſih in einen Winkel ſeines Käfigs zurü> und bli>te von hier aus mit boshaft funkelnden Augen ſein Opfer an. Bei guter Laune gab er Proben von ſeiner Behendigfeit und Kraft. Gegen Haushunde war ex ſtets äußerſt unliebenswürdig, und niemals zeigte er die geringſte Luſt, mit ihnen in ein zärtliches Verhältnis zu treten.