Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Pariahunde in Agypten. 87

mohammedaniſchen Bevölkerung zählen dürfe, und wirklih rührend ift es zu ſehen, wie die gaſtfreien Leute einer ſolchen Hundewöhnerin ſih annehmen. J< habe mehr als einmal beobachtet, daß vornehme Türken oder Araber, welche durch ſolhe Straßen ritten, in denen Hündinnen mit ihren Jungen lagen, ſorgfältig mit ihrem Pferde auf die Seite lenkten, damit dieſes ja niht die junge Brut beſhädige. Wohl ſelten geht ein Ägypter vorüber, ohne der Hundemutter einen Biſſen Brot, gekochte Bohnen, einen alten Knochen und dergleichen zuzuwerfen. Die Mohammedaner halten es für eine Sünde, ein Tier unnötigerweiſe zu töten oder zu beleidigen; aber die Barmherzigkeit geht zuweilen auch zu weit. Man findet nämlih oft räudige und kranke Hunde im größten Elende auf der Straße liegen, ohne daß eine mitleidige Hand ſih fände, ihrem traurigen Daſein ein Ende zu machen.

Fängt man ſi junge Hunde und hält ſie lange Zeit in der Gefangenſchaft, ſo werden fie vollſtändig zu Haushunden und ſind dann als wachſame und treue Tiere ſehr geſhäßt. Bei weitem der größte Teil der jungen Straßenhunde aber findet einen Herrn und begibt ſih, nachdem er halberwacſen iſt, mit der Alten ins Freie und lebt dort genau in derſelben Weiſe wie ſeine Vorfahren.

Innerhalb ihrer eigentlihen Wohnkreiſe ſind die verwilderten Hunde ziemlih ſcheu und vorſichtig, und namentlih vor dem fremdartig Gekleideten weichen ſie jederzeit aus, ſobald dieſer ſi ihnen nähert. Beleidigt man einen, ſo erhebt ſi< ein wahrer Aufruhr. Aus jedem Loche ſchaut ein Kopf heraus, und nah wenigen Minuten ſind die Gipfel der Hügel mit Hunden bede>t, wel<he ununterbrochen lärmen. Jh habe mehrmals auf ſolche Hunde förmlih Jagd gemacht, teils um ſie zu beobachten, teils um ihr Fleiſch zu verwenden, d. h. um es entweder als Köder für die Geier auszuwerfen, oder um es meinen gefangenen Geiern und Hyänen zu verfüttern. Bei dieſen Jagden habe ih mich von dem Zuſammenleben und Zuſammenhalten der Tiere hinreichend überzeugen können und dabei auh unter anderem die Beobachtung gemacht, daß ſie mih ſhon nach kurzer Zeit vollſtändig kennen und fürchten gelernt hatten. Jn Chartum z. B. war es mir zuleßt unmöglich, ſolche herrenloſe Hunde mit der Büchſe zu erlegen, weil ſie mih niht mehr auf 400 Schritt an ſi herankommen ließen. Sie ſind überhaupt dem Fremden ſehr abhold und kläffen ihn an, ſobald er ſih zeigt; aber ſie ziehen ſi< augenbli>li< zurü>, wenn man ſich gegen ſie kehrt. Gleichwohl fommt nicht ſelten eine ſtarke Anzahl auf einen los, und dann iſt es jedenfalls gut, dem naſeweiſeſten Geſellen eine Kugel vor den Kopf zu ſchießen. Mit den Mohammedanern oder morgenländiſ<h gekleideten Leuten leben ſie in guter Freundſchaft; dieſe fürchten ſie nicht im geringſten und kommen oft ſo nahe an ſie heran, als ob ſie gezähmt wären; mit den Haushunden dagegen liegen ſie beſtändig im Streite, und wenn ein einzelner Hund aus der Stadt in ihr Gebiet kommt, wird ex gewöhnlich tüchtig zerbiſſen. Auch die Hunde eines Berges verkehren nicht friedlich mit denen eines anderen, ſondern geraten augenbli>li< mit allen in Streit, welche niht unter ihnen groß geworden und ſih ſozuſagen mit ihnen zuſammengebiſſen haben.

Manchmal vermehren ſich die verwilderten Hunde in das Unglaubliche und werden zur wirklichen Landplage. Mohammed Ali ließ einmal, um dieſer Peſt zu ſteuern, ein Schiff förmlich mit Hunden befrachten und dieſe dann auf hoher See über Bord werfen, um ſie ſicher zu ertränken. Zum größten Glücke ſind ſie der Waſſerſcheu nur äußerſt ſelten ausgeſeßt, ja man kennt wirklich kaum Beiſpiele, daß jemand von einem tollen Hunde gebiſſen worden wäre. Die verwilderten Hunde gelten den Mohammedanern, wie alle Tiere, welche Aas freſſen, für unrein; wird ein ſolches Tier aber gezähmt, ſo ändert ſich die Sache: dann gilt bloß ſeine beſtändig feuchte Naſe no< für unrein. y '

Jn Konſtantinopel ſoll das Verhältnis des Menſchen zu den Hunden ein ganz ähnlies ſein. „Unzertrennlih von den Gaſſen der Hauptſtadt“, ſagt Hackländer, „iſt der