Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Schakal: Stimme. Diebereien. Raubweiſe. 43

zu ſih genommen. Sobald der eine ſeine Stimme erhebt, fallen die anderen regelmäßig ein, und ſo kann es kommen, daß man von einzeln liegenden Gehöften aus zuweilen die wunderlihſte Muſik vernehmen kann, weil die Töne aus allen Gegenden der Windroſe heranſcallen. Unter Umſtänden wird man erſchre>t durch das Geheul; denn es ähnelt manchmal Hilferufen oder Shhmerzenslauten eines Menſchen. Die Anglo-Jnder pflegen die allbefannten charakteriſtiſhen Laute durh: „Dead Hindoo! where, where, where!“ mwiederzugeben. Durch die Ausdauer, mit welcher die Schakale ihre Nachtgeſänge vortragen, können fie unerträglih werden; ſie verderben, zumal wenn man im Freien \{<läft, oft die Nachtruhe vollſtändig. Somit kann man es den Morgenländern niht verdenken, wenn ſie die überall häufigen Tiere haſſen und dieſem Haſſe durh grauenvolle Flüche Ausdru> geben.

Zum Haſſe berechtigen übrigens auh no< andere Thaten der Schakale. Der geringe tußen, welchen ſie bringen, ſteht mit dem Schaden, den ſie verurſachen, in gar feinem Verhältnis. Nüßlih werden ſie dur< Wegräumen des Aaſes und Vertilgung allerhand Ungeziefers, hauptſächlich dîr< Mäuſefang, \hädlih wegen ihrer unverſhämten Spibßbübereien. Sie freſſen niht nur alles Genießbare weg, ſondern ſtehlen noch allerhand Ungenießbares aus Haus und Hof, Zelt und Zimmer, Stall und Küche und nehmen mit, was ihnen gerade paßt. Jhre Freude am Diebſtahle iſt vielleicht ebenſo groß wie ihre Gefräigkeit. Jm Hühnerhoſe ſpielen ſie die Rolle unſeres Neineke, morden mit der Gier des Marders und rauben, wenn au< niht mit der Liſt, ſo doh mit der Frechheit des Fuchſes. Unter Umſtänden machen ſie ſi übrigens auch über ein vereinzeltes Herdentier, über Lämmer und Ziegen her, verfolgen ein kleines Wild oder plündern die Obſtgärten und Weinberge. Jn Indien ſollen ſie ſelbſt Zu>kerrohr- und Maisfelder heimſuchen und, wie Jerdon und Sterndale verſichern, auch die Kaffeepflanzungen ſchädigen, indem ſie bedeutende Mengen reifer Beeren vertilgen. Die Bohnen gehen unverdaut ab und werden emſig geſammelt, da ſie den beſten Kaffee geben ſollen; das mag wohl richtig ſein, aber nicht etwa, weil ſie dur den Tierleib gegangen ſind, ſondern weil die Schakale die le>erſten Früchte auszuwählen pflegen. An der Meeresküſte nähren ſie ſi von toten Fiſchen, Weichtieren und dergleichen. Größeren Raubtieren folgen ſie in Rudeln nach, um alle Überreſte ihrer Mahlzeit zu vertilgen; Reiſezüge begleiten ſie oft tagelang, drängen ſih bei jeder Gelegenheit ins Lager und ſtehlen hier na< Herzensluſt. Tritt ihnen bei ihren Jagdzügen ein Menſch in den Weg, ſo weichen ſie ihm zwar aus und zerſtreuen ſich nah re<ts und links, finden ſi aber bald wieder zuſammen und verfolgen ihren Weg wie früher. Die Morgenländer ſagen ihnen nat, daß ſie unter Umſtänden au<h Menſchen angreifen, zwar nicht den Erwachſenen und Geſunden, wohl aber Kinder und Kranke. Fn Fndien müßten eigentli<h nah den amtlichen Angaben die Schakale ſ{hlimmerx hauſen als die Wölfe, wenn niht ſogar ſ{hlimmer als die menſchenfreſſenden Tiger. Bloß drei Provinzen haben darüber und zwar bloß für drei einzelne Jahre Verzeichniſſe eingereicht; danach find zuſammen 527 Menſchen, in Bengalen allein 1882: 359 Menſchen dur< Schakale getötet worden. Wie groß müßte da der dur ſie verurſahte Menſchenverluſt in ganz Fndien ſein?

In den nördlichen Teilen der Fnſel Ceylon, wo der ſandige Boden von Buſchwerk und einzelnen Baumgruppen nur dünn bede>t wird, ſind ſie, laut Tennent, ungemein häufig. Sie jagen hier regelmäßig in Meuten, welche von einem Leithunde angeführt werden und eine faum glaubliche Kühnheit an den Tag legen. Nicht allein Haſen und andere Nager, ſondern auh größere Tiere, ſelbſt Hirſche, fallen ihnen zur Beute. Sehen ſie, daß gegen Abend oder mit Eintritt der Dunkelheit ein Haſe oder anderes Wild in einem jener Diekichte Zuflucht nimmt, ſo umringen ſie die ihnen winkende Beute von allen Seiten, verſäumen auch nie, die Wechſel zu beſezen; der Leithund gibt durch ein langgedehntes Geheul das Zeichen zum Angriffe, alle wiederholen die widerwärtigen Laute und rennen gleichzeitig