Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Heulwolf: Raubweiſe. Stimme. Gefangenleben. 51

daß Vermiſchungen zwiſchen beiden Tieren vorkommen. „Wölfe“, ſagt Freiherr von Thielmann, „ſind in der ganzen Prairie zu finden; ungleich häufiger jedoch als der große graue Wolf iſt ſein kleinerer Verwandter, der Prairiewolf oder Coyote. Bei Tage trollt er allein oder zu zweien in der Prairie umher, bei einem Aaſe oder hinter einem angeſchoſſenen Wilde ſieht man größere Mengen ſih zuſammenſcharen; nachts führen Rudel derſelben mit Vorliebe Konzerte um das Lager auf. F< kann nicht ſagen, daß das Geheul einen unangenehmen Klang gäbe; oft habe ih im Zelte liegend eine Ähnlichkeit mit entferntem Geſange darin gefunden, ebenſo wie das Geſchrei der Wildgänſe an Glo>kengeläute in der Ferne erinnert. Mit dem Aasgeier zuſammen iſ der Coyote der Vertilger alles toten Getieres, doch geht er niht an ſtinkendes Aas. Seine ſichere Beute wird jeder angeſchoſſene oder im Kampfe mit ſeinesgleichen verwundete Büffel; ſobald ein ſolcher ſich vor Schweißverluſt erſt einmal niedergethan hat, verendet er bald an den ſcharfen Biſſen des Rudels. Für den Menſchen iſ ſowohl der große Wolf wie der Coyote gänzlich ungefährlich, doch iſt die Dreiſtigkeit des leßteren bei Nacht ſo groß, daß jedes Stü> Fleiſch und jeder geſhmierte Stiefel im Lager wohl verwahrt werden muß. Bei Tage iſt mir nur einmal ein Coyote in nächſte Nähe gekommen; er war in einer ſolchen Jagdpaſſion hinter einem Haſen her, daß er meiner erſt anſichtig wurde, als er ſich bereits diht an den Hufen meines Pferdes befand.“

Über das Gefangenleben kann ih aus eigener Anſchauung berichten. Jh pflegte geraume Zeit einen Prairiewolf, welcher im Zimmer aufgezogen worden und ebenſo artig war wie ein gutmütiger Hund, obgleih nur gegen Bekannte. Er hatte ganz das Weſen des Haushundes. Bei dem Anbli>e ſeiner Freunde ſprang er vor Freuden hoch auf, wedelte mit dem Schwanze und kam an das Gitter heran, um ſich liebkoſen zu laſſen. Die ihm ſ{<meichelnde Hand le>te er jedo< niht, ſondern bero ſie höchſtens. Wenn er allein wax, langweilte ex ſi< und fing an, jämmerlich zu heulen. Gab man ihm aber Geſellſchaft, ſo mißhandelte er dieſe, falls er es niht mit beſſeren Beißern zu thun hatte, als ex einer war. Aus Raummangel mußte er mit einem Wolfshunde, einem Schabra>enſchakale und einem in: diſchen Schakale zuſammengeſperrt werden. Da gab es anfangs arge Raufereien. Später zeigte er ſich übellauniſh gegen ſeine Genoſſen, hielt ſi au<h immer zurü>gezogen. Einen Naſenbären, welcher den Nebenkäfig bewohnte, erwiſchte er einmal am Shwanze, biß dieſen in der Mitte ſeiner Länge ab und verſpeiſte ihn ohne Umſtände. Lebende Tiere, welche an ſeinem Käfig vorübergingen, verſeßten ihn ſtets in Aufregung, Hühnern namentlich folgte er mit der größten Begierde, ſolange er ſie ſehen konnte. Er war an Hausmannsfoſt gewöhnt worden und zog Brot entſchieden dem Fleiſche vor, verachtete aber auch dieſes niht. Kleine Säugetiere und Vögel {lang er mit Haut und Haar oder Federn hinab. Dabei war ex ſo gierig, daß er ſi leiht überfraß und dann die Speiſe wieder erbrach; er fraß das Ausgebrochene aber, wie es die Hunde zu thun pflegen, unter Umſtänden au< wieder auf. Reichte man ihm mehr Nahrung, als er wirklich zu ſih nehmen konnte, ſo verſcharrte er dieſe geſhwind in einer Ee ſeines Käfigs und hütete ſole Vorräte dann mit Argusaugen, jeden ſeiner Kameraden mit Knurren bedrohend, ſobald dieſer dem Winkel nur halbwegs zu nahe fam.

Höchſt empfänglich zeigte er ſi für die Klagen anderer Tiere. Fn das Geheul der Wölfe ſtimmte er ſtets mit ein, und ſelbſt das Gebrüll oder Gebrumm der Bären beantwortete er. Redete man ihn mit klagender Stimme an, ihn gleihſam bedauernd, ſo heulte und winſelte er, wie mancher Haushund unter gleichen Umſtänden zu thun pflegt. Er zeigte, ganz wie ein Hund ungemeines Verſtändnis für die Betonung verſchiedener Laute und Worte, fürchtete ſih, wenn man ihn hart anredete, verſtand Shmeicheleien und ließ ſich durch klagende oder bedauernde Worte zur tiefſten Wehmut hinreißen. Auch die Muſik preßte ihm ſtets laute Klagen aus; doh war es mit ſeiner Heulerei niht ſo ernſthaft gemeint.

4 *