Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

66 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünfte Familie: Hunde.

„Vellen hilft hier nihts“/ läßt Grandville ſeinen Wolf ſagen, „es muß gebiſſen werden“: hätte er den Steppenhund gekannt, er würde ihm dieſes Wort in das Maul gelegt haben.

Jung aufgezogene Hyänenhunde gewöhnen ſich bald an eine beſtimmte Perſon, an ihren Wärter, an regelmäßige Beſucher ihres Aufenthaltes und legen beim Erſcheinen eines Freundes thre Freude in einer Weiſe an den Tag wie kein anderes mix bekanntes Raubtier. Angerufen, erheben ſie ſi von ihrem Lager, ſpringen wie unſinnig in dem Käfig und an deſſen Wänden umher, fangen unter ſi<h aus reinem Vergnügen Streit oder au< wohl ein Kampfſpiel an, verbeißen ſi< ineinander, rollen ſi< auf dem Boden hin und her, laſſen plößlich voneinander, durhmeſſen laufend, hüpfend, ſpringend den Käfig von neuem und ſtoßen dabei ununterbrochen Laute aus, für welche man keine Bezeihnung findet, da man ſie do< niht, wie man gern thun möchte, ein Gezwitſcher nennen darf. Tritt der Menſch, welcher die ganze unſägliche Luſtigkeit hervorgerufen, in den Käfig, ſo wird ex augenbli>li< unmlagert, umſprungen, dur die wunderſamſten Laute begrüßt und vor reiner Zärtlichkeit gebiſſen, mindeſtens gezwi>t. Unbeſchreibliche Lebhaftigkeit iſt dieſen Tieren eigen von Jugend auf. Es mag niht unmöglih, muß aber gewiß ſehr ſ{hwer ſein, ſie zu zähmen: gelänge es, ſo würde man an ihnen höchſt nußbare Jagdgehilfen gewinnen. Zu Haus- und Stubentieren eignen ſie ſi< niht; denn außer ihrer Biſſigkeit haben ſie noh einen Fehler: ſie verbreiten, wie von Heuglin ſehr rihtig ſagt, einen unerträglihen Geruch, einen no< ſ{limmeren faſt als die Hyänen.

Bemerken will ih ſ{<ließli< no<, daß gefangene Hyänenhunde ſi< ohne ſonderliche Umſtände fortpflanzen und, was mir als das Wichtigſte erſcheint, bis zehn Junge wölfen; ſo wenigſtens iſt in einem Tiergarten beobachtet worden. Leider ergeht es auch ihnen wie ſo vielen gefangen gehaltenen Tieren: ſie erliegen auh bei ſorgfältigſter Pflege früher oder ſpäter der Lungenſhwindſucht, dem gewöhnlih unheilbaren Leiden, welches unter den Beſtänden unſerer Tiergärten ebenſo viele Opfer fordert wie unter den Menſchen.

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Sykes beſchrieb einen Wildhund Jndiens, den Kolſun, in welchem er den Stanmmvater aller Haushunde zu erkennen meinte. Das Tier, welches nach ſeiner Angabe größere Ähnlichkeit mit dem Windſpiele als mit dem Wolfe oder Schakale haben ſoll, gehört einer dritten dur< ihr nur 40zähniges Gebiß ausgezeihneten Untergattung der Wölfe (Cyon), deren Verbreitung merkwürdigerweiſe im großen und ganzen mit der des Tigers zuſammenfällt, an und beſißt ungefähr die Verhältniſſe eines mittelgroßen Windhundes, bei 1 m Geſamt- und 20 em (mit Haar 35—87 ecm) Schwanzlänge, 45—50 ecm Schulterhöhe, und iſt bekleidet mit einem gleihmäßig dichten, aus ziemli< kurzen, nur an der Nute verlängerten Haaren beſtehenden Pelze von ſ{<hön braun- oder roſtroter bis bräunlihgrauer, unterſeits lichterer, auf der Schnauze, den Dhren, an den Füßen und der Schwanzſpiße dunklerer Färbung. Hodgſon beſtimmte das Gewicht eines Rüden zu 12, kg.

Manche Forſcher, wie JFerdon, Blyth, Sterndale, warfen den indiſhen Wildhund mit dem unten beſchriebenen malayiſhen zuſammen; andere glaubten, nah Hodgſons Vorgang, beſonders wegen der bemerkenswerten Verbreitung, welche kein zweites indiſches Säugetier beſit, den im Himalaja und in Tibet gefundenen Wildhund als eine beſondere Art von dem indiſchen trennen zu müſſen. Nah Vlanfords neueſten Unterſuchungen iſt jedo<h dieſe Trennung nicht aufre<ht zu erhalten. Unſer Wildhund, in Fndien Son-Ram- oder Ban-kutta, Dſchangli, Kolſun, Kolſa 2c., im Himalaja Ram-hun, Siddaki, Bhaoſa, Buanſu 2c., in Tibet Haſi und Phara genannt (Canis [Cyon] dukhunensis, Canis und Cuon primaeyus, auh Cuon grayiformis und rutilans, Canis himalayanus), findet ſih im ganzen Himalaja vom oberen JFndusthale und Kaſhmir oſtwärts bis Aſſam, im