Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Ah Vierte Ordnung: Raubtiere; fünfte Familie: Hunde.

ſeinem Gerippe, nah ſeinem Schädel und Gebiſſe ein Wolf; doh iſt es na< Schädel noh nah Gebiß weder möglich, ihn mit irgend einer wild vorkommenden Wolfsart zu vereinigen, noc von den bekannten Wolfsarten ſcharf zu trennen. Unſere europäiſchen Hunde ſ{<wanken in ihren Schädeleigentümlichkeiten zwiſchen denen des Wolfes und des Schakals, doh jo, daß ſich die Eigentümlichkeiten mannigſfaltigſt kreuzen, verbinden und abändern. Doch wenn auh der Schädel Ähnlichkeit mit dem des Wolfes und Schakals hat, ſogar entfernt an den des Fuchſes erinnert, hält er doh immer etwas Eigentümliches feſt. Die Stirn tritt in der Regel etwas ſtärker über dem Scheitel und dem Naſenrü>en hervor als beim Wolfe und Schakale; doch darin zeigen ſi erſt ret gegenſäßliche Abweichungen bei den verſchiedenen Hunderaſſen. Es verſteht ſi, daß in dieſen Eigentümlihhkeiten nur Schädel von ungefähr gleichem Alter miteinander erfolgreih verglichen werden fönnen.

„Die Amerikaner haben Hunde gehabt, ehe dur die Spanier dex europäiſche Hund nah Amerika gebracht wurde. Jn Mexiko fanden die Spanier ſtumme Hunde vor. A. v. Humboldt führt an, daß von den Fndianern von Jauja und Huanca, ehe ſie der Jnka Pahacutec zum Sonnendienſte bekehrte, die Hunde göttlih verehrt wurden. Jhre Prieſter blieſen auf ſkelettierten Hundeköpfen, und Hundeſhädel und Hundemumien fanden ſic in den peruaniſchen Grabmälern der älteſten Zeit. Tſ<hudi hat dieſe Schädel unterſucht, hält ſie für verſchieden von denen der europäiſchen Hunde und glaubt, daß ſie von einer eigenen Art herrühren, die er Canis ingae nennt; auh werden die einheimiſhen Hunde im Peruaniſchen mit dem Namen Runa-allco bezeichnet, um ſie von den europäiſchen, die verwildert in Südamerika vorkommen, zu unterſcheiden. Dieſe Hunde ſollen beſonders gegen Europäer feindli< geſinnt ſein.

„Wenn es ſchon auffallend erſcheint, daß die eingeborenen Hundearten ſih in dem Schädelbau den wilden Wolfsarten nähern, ſo iſ es no< auffallender, daß ſie au< im Äußern wieder den wilden Formen nahe rücen, wenn ſie in den Zuſtand der Verwilderung übergegangen ſind. Das gilt nit allein von der Färbung, ſondern auch von der Form des Tieres, den aufrecht ſtehenden, ſpißen Ohren, der Behaarung und dergleichen. Schon Olivier bemerkte, daß die Hunde in der Umgebung von Konſtantinopel ſchakalähnlich ſind. Fm ſüdlichen und öſtlihen Rußland gibt es zahlloſe, halbverwilderte, in ganzen Geſellſchaften umherlaufende Hunde, welche dem Schakale in Farbe und Geſtalt des Körpers und der Dhren häufig täuſchend ähnlich ſind. Die Beobachtung von Pallas, daß die Hunde mit dem Schakale in entſchiedener Freundſchaft leben, iſt bei dieſen äußeren Ähnlichkeiten leicht zu begreifen. Es iſt bekannt, daß vom Hunde und Wolfe Baſtarde in jeder Art der Kreuzung nachgewieſen ſind. Baſtarde zwiſchen Hund und Schakal ſind nah Naturbeobachtungen keine Seltenheit. Pallas erwähnt ſogar, daß unter den Ruſſen Baſtarde von Hund und Fuchs als eine bekannte Sache angenommen werden; doc gründet er dieſe Behauptung offenbar nicht auf eigene Beobachtungen.

„Hragt man ſi nun nach dieſen Andeutungen, ob der Hund eine Art, eine ſelbſtändige und getrennte Art iſt, wie der Wolf, Schakal und Fuchs, ſo hält es ſchwer, die Frage zu bejahen. Kein einziges wildes Tier zeigt ſolche Abweichungen im Schädel, im ganzen Körperbau, in den Verhältniſſen der abſoluten Größe. Aber auch die Haustiere, bei denen wir annehmen müſſen, daß die Art an und für ſi noch unverfälſcht erhalten, nur dur< Zähmung und Kultur verändert iſt, wie Pferd, Eſel, Rind, Ziege, Schwein, haben ſolche Gegenſäße niht aufzuweiſen, und no< weniger läßt ſich ſagen, daß mehrere Arten unter dieſer großen Mannigfaltigkeit von Formen enthalten wären. Daß von einer Stammart des Hundes niht die Rede ſein kann, wird aus allem wohl klar. Es iſt ebenſo niht wahrſcheinlih, daß eine ſolche Stammart bis jet unbeahtet und unentde>t geblieben wäre.