Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Blaſius und Darwin: Uber den Urſprung der Haushunde. 75

„Und ſo bleibt darin, ſolange man dieſe Fragpunkte auf dem Gebiete der Naturforhung erhalten will, kaum ein anderer Ausweg, als ſih zu der Anſicht zu bekennen, welcher Pallas huldigt: daß in der Zähmung und Vermiſchung der in verſchiedenen Ländern urſprünglichen Wolfsarten der Urſprung des Haushundes zu ſuchen ſei. Dieſe Anſicht iſt natürlih wie jede andere über dieſen Punkt nur eine Annahme, aber es wird, wenn ſie in der Natur begründet iſt, möglich ſein, ſie dur unmittelbare Vergleichung der Hunde- und Wolfsſchädel bis zur vollen Überzeugung zu erheben. Man hat keine Veranlaſſung mehr, ſi< in ſolcher Auffaſſung durch die Lehren und Annahmen von Buffon beirren zu laſſen. Daß ſi gleichzeitig die unbeſhränkte Kreuzung der Hundearten unter ſich und des Hundes mit Wolf und Schakal am beſten mit dieſer Anſicht verträgt, liegt auf der Hand. Daß auch die große Mannigfaltigkeit der Hunde in Geſtalt und Größe allein dadurch eine Analogie erhielt, z. B. in den verſchiedenartigen, zwitterhaften Pflanzen, ſogar im Tierreiche unter den Hühnern, iſt au< niht ohne Gewicht. Ebenſo iſt die große Verwandtſchaft der verwilderten Hunde in Geſtalt und Farbe mit dem Schakale und der Annäherung und Freundſchaft beider von großer Bedeutung. Auch die verwilderten Pferde nähern ſi< urſprüngli den wilden wieder. Ziegen, die ſich von Geſchlecht zu Geſchlecht den größten Teil des Jahres frei im Gebirge umhertreiben, wie in Dalmatien und manchen Gegenden Ftaliens geſchieht, gleichen ſehr der wilden Bezoarziege; bunte Kaninchen, welche im Freien ausgeſeßt werden, haben im Verlaufe von einigen Jahren Junge, die von wilden niht zu unterſcheiden und vollkommen wild ſind.“

Darwin gelangt zu derſelben Annahme wie Blaſius. „Einige Tierkundige“, ſagt er, „glauben, daß alle gezähmten Spielarten des Hundes vom Wolfe oder dem Schakale oder einer unbekannten und ausgeſtorbenen Art abſtammen; andere wiederum meinen, daß ſie ebenſowohl von mehreren ausgeſtorbenen wie jeßt lebenden Arten, welche ſih mehr oder weniger miteinander vermiſcht haben, herrühren. Wahrſcheinlih werden wir niemals im ſtande ſein, ihren Urſprung mit Sicherheit zu beſtimmen. Die Vorweltskunde wirft niht viel Licht auf dieſe Frage. Einerſeits hängt dies von der großen Ähnlichkeit der Schädel der ausgeſtorbenen und lebenden Wölfe und Schakale, andererſeits von der großen Unähnlichkeit der Schädel der verſchiedenen Raſſen gezähmter Hunde ab. Man ſcheint auh in den neuen Tertiärlagern Überreſte gefunden zu haben, welhe mehr einem großen Hunde als einem Wolfe angehört haben dürften. Dies unterſtüßt die Anſicht Blainvilles, daß unſere Hunde die Nachkommen einer einzigen ausgeſtorbenen Art ſind. Einige gehen ſo weit, zu behaupten, daß jede Hauptraſſe ihren wilden Stammvater gehabt haben müſſe, dieſe leztere Anſicht iſt jedo<h außerordentlih unwahrſcheinlih; denn ſie läßt der Abänderung keinen Spielraum, läßt das faſt mißgebildete Gepräge einiger Zuchten unberüc{ſihtigt und nimmt beinahe mit Notwendigkeit an, daß eine große Anzahl von Arten ſeit der Zeit, in welcher der Menſch den Hund zähmte, ausgeſtorben ſei: lebte doh no< im Jahre 1710 der Wolf auf einer ſo kleinen Jnſel, wie Jrland iſt.

„Die Gründe, welche verſchiedene Schriftſteller zu der Annahme geſührt haben, daß unſere Hunde von mehr als einer wilden Art abſtammen, ſind erſtens die großen Verſchiedenheiten zwiſchen den Raſſen und zweitens die Thatſache, daß in den älteſten bekannten geſchichtlichen Zeiten mehrere Hunderaſſen lebten, welche einander ſehr unähnlich, jezt lebenden aber ſehr ähnlich ſind oder mit dieſen zuſammenfallen. Zwiſchen dem 14. Fahrhundert und der römiſchen Zeit ſind die Urkunden auffallend mangelhaft. Jm früheſten Zeitabſchnitte gab es verſchiedene Raſſen; doch iſt es unmöglich, die Mehrzahl derſelben mit irgend einer Sicherheit wiederzuerkennen. Youatt gibt eine Zeihnung von der Villa des Antonius, auf welcher zwei junge Windſpiele dargeſtellt ſind. Auf einem aſſyriſchen Denkmale, ungefähr 640 v. Chr., iſt eine ungeheuere Dogge dargeſtellt, wie ſolche, laut