Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

94 Zehnte Drdnung: Unpaarzeher; zweite Familie: Tapire.

au vor dem kleinſten Hunde, am ängſtlichſten aber vor dem Menſchen, deſſen Übermacht ſie wohl erkannt haben. Dies geht ſchon daraus hervor, daß ſie in der Nähe von Pflanzungen viel vorſichtiger und ſcheuer find als im unbetretenen Walde. Doch erleidet dieſe Regel Ausnahmen. Unter Umſtänden ſtellen ſie ſi{< zur Wehr und ſind dann immerhin beahtenswerte Gegner. Sie ſtürzen ſih blindwütend auf ihren Feind, verſuchen ihn umzurennen und gebrauchen auh wohl die Zähne nah Art unſerer Bache. - Jn dieſer Weiſe verteidigen die Mütter ihre Jungen, wenn ſie dieſe vom Jäger bedroht ſehen. Sie ſeßen ſi< dann ohne Bedenken jeder Gefahr aus und achten keine Verwundung Laut KellerLeuzinger „flieht das Tapirweibchen mit ſeinem Jungen niht vor dem Gebelle der Hunde; mutig bleibt es auf ſeinem Lager und ſucht mit dem eigenen Körper das zwiſchen ſeinen Beinen ſi verkriehende, zitternde, ſhrill pfeifende Tierchen zu hüten. Wehe dem vorwißigen Kläffer, der ſi< erkühnen ſollte, aus dem Kreiſe der Meute hervorzutreten, die ſi in dieſem Falle in a<tungsvoller Entfernung hält, und in den Bereich der grimmigen Alten zu kommen : ihr hoh gehobener kurzer Rüſſel entblößt ein niht zu verachtendes Gebiß, und unter den mächtigen Vorderfüßen kni>en \<hwache Hunderippen wie dünnes Rohr. Von zahlreichen Kugeln der auf das Gebell herbeigekommenen Jäger durhbohrt, bricht ſie endlich, ein Opfer mütterlicher Zärtlichkeit, über dem vor Angſt halbtoten Fungen zuſammen.“ Jm übrigen iſt die geiſtige Begabung der Tapire freilich gering, obwohl die Tiere auf den erſten Anbli> hin noh viel ſtumpfſinniger erſcheinen, als ſie wirklih ſind. Wer längere Zeit gefangene Tapire behandelt hat, erkennt, daß ſie immer noh ho< über Nashorn und Nilpferd und ungefähr mit dem Schweine auf gleicher Höhe ſtehen. „Ein jung eingefangener Tapir“, ſagt Rengger, „gewöhnt ſi<h nach wenigen Tagen ſeiner Gefangenſchaft an den Menſchen und deſſen Wohnort, den er alsdann niht mehr verläßt. Allmählich lernt er ſeinen Wärter von anderen Leuten unterſcheiden, ſucht ihn auf und folgt ihm auf kleine Entfernungen nah; wird ihm aber der Weg zu lang, ſo kehrt er allein na< der Wohnung zurü>. Er wird unruhig, wenn ſein Wärter ihm lange fehlt, und ſucht dieſen, falls er dies fann, überall auf. Übrigens läßt er ſi< von jedermann berühren und ſtreiheln. Mit der Zeit verändert er ſeine Leben8art inſofern, als er den größten Teil der Nacht ſchlafend zubringt; auch lernt er, wie das Schwein, nah und nah jeglihe Nahrung des Menſchen genießen und frißt niht nux alle Arten von Früchten und Gemüſen, ſondern auch gekochtes, an der Sonne getro>netes Fleiſch, verſchlingt Stü>chen von Leder, Lumpen und dergleichen, wahrſcheinlich aus Liebe zu dem ſalzigen Geſhma>e, welchen altes Leder und Lumpen beſigen. Wenn er frei umherlaufen kann, ſu<ht er das Waſſer ſelbſt auf und bleibt oft halbe Tage hindurh in einer Pfüze liegen, falls dieſe von Bäumen beſchattet wird. Es ſcheint, als bedürfe er das Waſſer mehr zum Baden als zum Trinken.“ Kappler, der öfters junge Tapire aufgezogen hat, teilt mit, daß er ſie immer bald zu verſchenken pflegte, weil ſie dur ihre große Zutraulichkeit ſogar ſehr läſtig wurden; ein erwathſener zog einmal von einem gede>ten Tiſche das Tuch mit allem, was darauf ſtand, herab. Die von mir gepflegten gefangenen haben dieſe Beobachtungen beſtätigt. Beide Arten waren höchſt gutmütige Ge\chöpfe. Sie waren ganz zahm, friedlih geſinnt gegen jedes Tier, höchſt verträglih unter ſih und ihren Bekannten zugethan. Wenn ih zu ihnen ging, kamen ſie herbei und be\{<nupperten mir Geſicht und Hände, wobei ſie die wunderbare Beweglichkeit ihres Nüſſels bethätigten. Andere Tiere, welche zufällig in ihre Nähe kamen, wurden neugierig-dumm längere Zeit beſchnüffelt. Die Anta hatte mit einem neben ihm ſtehenden Waſſerſchweine ſogar innige Freundſchaft geſchloſſen und le>te es zuweilen minutenlang äußerſt zärtlih. Beider Trägheit iſt ſehr groß; ſie ſ{<lafen viel, zumal an heißen Sommertagen, und ruhen auch des Nachts mehrere Stunden. Am lebendigſten ſind ſie gegen Sonnenuntergang; dann können ſie zuweilen ausgelaſſen luſtig ſein, in dem ihnen gewährten Raume auf: und niederjagen