Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Allgemeines. 99

beſtehen aus gleihlaufenden, äußerſt feinen, runden oder kantigen, innen hohlen Faſern von Hornmaſſe und ruhen mit ihrer breiten, rundlichen Wurzelfläche auf der di>den Haut, welche den vorderen Teil des Geſichtes bekleidet. Nicht ſelten, obſhon immer nur bei einzelnen Stücken, zeigt die Oberhaut an verſchiedenen Stellen, zumeiſt aber am Kopfe, hornartige, bis zu mehreren Zentimetern ſih erhebende Wucherungen.

Plumpe und kräftige Formen kennzeihnen auh das Gerippe. Der Schädel erſcheint ſehr lang und niedrig; die Stirnbeine nehmen den vierten oder dritten Teil der Schädellänge ein und verbinden ſi< unmittelbar mit den breiten und ſtarken Naſenbeinen, welche die Naſenhöhle überwölben oder von einer mittleren Scheidewand noh geſtüßt werden. Da, wo das Horn ruht, iſt dieſer Knochen uneben, rauh, hö>erig und wird dies um ſo mehr, je größer die Hörner ſind. Der Zwiſchenkiefer iſt bloß bei den Arten, welche bleibende Schneidezähne haben, anſehnlih; bei jenen dagegen, welche dieſe Zähne in frühſter Jugend verlieren, verkümmert. Die Wirbelſäule wird von ſtarken, mit langen Dornen beſeßten Wirbelförpern gebildet; 18—20 von ihnen tragen ſtart gekrümmte, dide und breite Rippen; das Zwerchfell ſeßt ſich aber ſhon am 14.—17. Wirbel an. Bereits in früher Jugend verwachſen die fünf Wirbel, welche das Kreuzbein bilden, zu einem Ganzen. Der Schwanz beſteht aus 22—23 Wirbeln. An allen übrigen Knochen iſt ihre Stärke und Plumpheit das Auffallendſte. Dem Gebiſſe fehlen regelmäßig die E>zähne und bei den afrikaniſchen Arten auch die Schneidezähne in beiden Kiefern; legtere ſind aber bei den aſiatiſ<hen Arten während des ganzen Lebens meiſtens vorhanden. Das übrige Gebiß beſteht aus ſieben Ba>enzähnen in jedem

“Kiefer, von denen jeder einzelne aus mehreren Hügeln und Pfeilern zuſammengeſchmolzen zu ſein ſcheint, und deren Kauflächen ſi<h mit der Zeit ſo abnuten, daß verſchiedenartige Zeichnungen entſtehen.

Auch die Weichteile verdienen mit einigen Worten beſchrieben zu werden. Die Haut der Oberlippe iſt ſehr dünn, gefäß- und nervenreih, die Zunge groß und empfindlih. Der Magen iſt einfa< längli<h. Unter den Sinneswerßzeugen fallen die Augen durch ihre geringe Größe auf.

Die Nashörner, welche gegenwärtig das orientaliſche und das äthiopiſche Reich bewohnen, waren in der Vorzeit weiter verbreitet und kamen ebenſo im ſüdlichen Deutſchland, in Frankreich und England wie in Rußland und Sibirien vor. Unter den bis jezt bekannt gewordenen ausgeſtorbenen Arten verdient namentlih eine der Erwähnung: nämlich das zweihörnige Vorweltsnashorn mit knöcherner Naſenſcheidewand (Rhinoceros tichorhinus), weil es nicht bloß in einzelnen Knochen, ſondern mit Haut und Haaren bis auf unſere Tage gekommen iſt. Jm nördlichen Aſien vom Ob an bis zur Beringſtraße gibt es keinen Fluß im ebenen Lande, an deſſen Ufer niht Knochen von vorweltlichen Tieren, namentlich von Elefanten, Büffeln und Nashörnern, gefunden würden. „Als ih“, ſo berichtet Pallas, „im März 1772 nah Jakutsk kam, zeigte mir der Statthalter des öſtlichen Sibirien den Vorderund Hintexfuß eines Nashornes, welcher noh mit Haut überzogen war. Das Tier wurde im ſandigen Ufer eines Fluſſes gefunden. Den Rumpf und die Füße ließ man liegen.“ Nun bemühte ſi<h Pallas, mehr zu exfahren, und brachte zunächſt den Kopf und den Fuß nah Petersburg. Später hat von Brandt die Reſte unterſucht, und ſo erfahren wix, daß dieſes vorweltliche Nashorn, welches während der Shwemmzeit das mittlere und nördlichere Europa und den Norden Aſiens bewohnte, neben dem Mammut eines der gemeinſten größeren Tiere unſeres Weltteils war. Außer in Sibirien fand man ſeine Knochen auh noch in Nußland, Polen, Deutſchland, England und Frankreih und zwar an manchen Orten in erſtaunlicher Menge. Das hauptſächlichſte Artkennzeichen dieſes Tieres beſteht darin, daß die bei allen anderen Nashörnern knorpelige Naſenſcheidewand bei ihm verknöchert iſt, wahrſcheinlich bedingt durch die auffallende Verlängerung der Naſenbeine. Ebenſo weicht das Tier hinſichtlich

- 7