Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Geſchichtliches. Fabeln. Aufenthalt. 109

Wenn ſie jemand angreifen wollen, werfen ſie ihn vielmehr mit den Knieen nieder und ſtoßen dann mit der Zunge, die mit einigen langen Stacheln beſeßt iſt, auf ihn los. Jhren Kopf, welcher dem des Wildſchweines ähnelt, tragen ſie immer gegen die Erde gekehrt. Sie halten ſih gern im S<hlamme auf und ſind überhaupt rohes, garſtiges Vieh.“ Fm Fahre 1513 erhielt der König von Portugal aus Oſtindien ein lebendes Nashorn. Sein Ruf exfüllte alle Länder. Albrecht Dürer gab den erwähnten Holzſchnitt heraus, welchen er nach einer \<le<ten, ihm aus Liſſabon zugekommenen Abbildung angefertigt hatte. Derſelbe ſtellt ein Tier dar, welches ausſieht, als ob es mit Schabra>en bekleidet wäre und Panzerſchuppen an den Füßen trage, zeigt auh ein kleines Horn auf der Schulter. Faſt 200 Fahre lang war jener Holzſchnitt des berühmten Meiſters das einzige Bild, welches man von dem Nasorne beſaß; kein Wunder daher, daß ihn auch der alte Gesner verwendete. Erſt Chardin, welcher in Fspahan ein Nashorn ſah, hat zu Anfang des vorigen Jahrhunderts eine beſſere Abbildung gegeben. Die Lebensſchilderung hatte Bontius um die Mitte des 17. Jahrhunderts berihtigt. Von nun an beſchreiben alle naturkundigen Reiſenden die eine und andere Art, mit beſonderer Ausführlichkeit aber die ſüdafrikaniſchen Nashörner, ſo daß es gegenwärtig immer noch leiter iſl, ein allgemeines Lebensbild der Tiere zu entwerfen, als die verſchiedenen Arten ſelbſt zu kennzeichnen.

Jm großen und ganzen ähneln ſi alle Nashörner in ihrer Lebensweiſe, in ihrem Weſen, in ihren Eigenſchaften, Bewegungen und in ihrer Nahrung; doch ſcheint immerhin jede Art ihre Eigentümlichkeiten zu haben. Unter den aſiatiſchen Arten z. B. gilt das Nashorn als ein außerordentlih bösartiges Geſchöpf; das Wara-Nashorn wird ſchon als viel gutmütiger und das auf Sumatra lebende als harmlos geſchildert. Ähnlich verhält es ſi<h mit den afrikaniſchen. Das Doppelnashorn wird troß ſeiner geringen Größe als das wütendſte aller aſrikaniſchen Tiere, das Stumpfnashorn dagegen als ein wirklich harmloſes Weſen bezeichnet. Etwas Wahres wird wohl an dieſer Auffaſſung, die volle Wahrheit aber die ſein, daß jedes Nashorn beim erſten Zuſammentreffen mit dem Menſchen, und ſolange es nicht gereizt wurde, als gutmütig, dur< böſe Erfahrungen gewigigt oder erzürnt aber als bösartig ſih erweiſt. Die Araber des Sudan ſind geneigt, in den rieſenhaften Tieren, wie im Nilpferde, Zaubergeſtalten zu erbli>en: ſie glauben, daß irgend ein böswilliger Hexenkünſtler die Geſtalt dieſer Tiere annehmen könne, und verſuchen ihre Anſicht damit zu begründen, daß Nashörner wie Nilpferde in ihrer blinden Wut keine Grenzen kennen.

Ein möglichſt waſſerreihes Gebiet: Sumpfgegenden, Flüſſe, welche auf weithin ihr Bett überfluten, Seen mit umbuſchten, ſchlammigen Ufern, in deren Nähe grasreihe Weideplätze ſich befinden, Waldungen mit Bächen und ähnliche Örtlichkeiten bilden die bevorzugten Aufenthaltsorte der Nashörner; die afrikaniſchen aber befinden ſih auch ſehr wohl in recht tro>enen gras- und buſchreichen Gebieten, wenn ſonſt nur Tümpel in erreihbarer Nähe vorhanden ſind. So maſſigen und wohlgepanzerten Tieren gegenüber eröffnet ſelbſt das verſchlungenſte Dickicht ſein anderen Geſchöpfen unnahbares Fnneres, erweiſen ſi< auh die furhtbarſten Dornen machtlos. Daher begegnen wir den meiſten Arten in beſonderer Häufigkeit in Wäldern, und zwar vom Meeresſtrande an, einzelnen in der Höhe noch regelmäßiger und häufiger als in der Tiefe. So findet ſich z. B., laut Junghuhn, das Wara-Nashorn auf Java zwar au im buſchreichen Küſtengelände, zahlreicher aber im Gebirge bis zu 3000 m Höhe. Täglich einmal beſucht wohl jedes Nashorn ein Gewäſſer, um hier zu trinken und ſih im Schlamme zu wälzen. Ein Schlammbad iſt allen auf dem Lande lebenden Dickhäutern geradezu Bedürſnis; denn ſo ſehr auch ihr Fell ihren Namen bethätigt, ſo empfindlich zeigt es ſich für die Stiche der Fliegen, Bremſen und Mücken, und nur durch Auflegen einer dien Schlammlage verſchaffen ſie ſih einigermaßen Schuß und Frieden. Che ſie noh auf Nahrung ausgehen, eilen die Nashórner zu den weichen Ufern der Seen, Lachen und Flüſſe, wühlen in dem