Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Lebens3weiſe, Nahrung. Eigenheiten. I

Weite gefüllt iſt. Noch mehr aber, als ſie freſſen, verderben und zerſtampfen ſie in den Pflanzungen. Die Nahrung wird mit dem breiten Maule abgepflüct oder mittels des handartigen Fortſaßes abgebrohen. An einem gefangenen indiſhen Nashorne beobachtete ih, daß es mit ſeiner Lippenſpiße ſehr kleine Stüce, z. B. Zuckerbro>ken, geſchi>t einklemmen und dann dur< Umbiegen derſelben auf die weit vorragende Zunge bringen kann. Alle Nahrung, welche das Tier aufnimmt, zerkaut es ſogleich, aber in roheſter Weiſe; denn ſeine Speiſeröhre iſt weit genug, um auch großen Stücken den Durchgang zu geſtatten. Das indiſhe Nashorn kann die rüſſelartige Ausbuchtung der Oberlippe bis auf etwa 15 em verlängern und damit einen di>en Grasbuſh erfaſſen, ausreißen und in das Maul ſchieben. Ob das Gras rein iſt oder ob etwas Erde an den Wurzeln hängt, ſcheint gleichgültig zu ſein. Es ſ{<lägt allerdings erſt den ausgeriſſenen Buſch einmal gegen den Boden, um den größten Teil der erdigen Stoffe abzuſchütteln ſchiebt ihn dann aber mit Seelenruhe in den weiten Rachen und würgt ihn ohne Schlingbeſchwerden hinab. Sehr gern frißt es auh Wurzeln, deren es ſih mit Leichtigkeit bemächtigt. Bei guter Laune gefällt es ſi<, ſchon ſeines Vergnügens halber , darin , einen kleinen Baum oder Strauch aus dem Boden zu wühlen, und fegt zu dieſem Zwecke mit dem gewaltigen Horne ſo lange unter den Wurzeln herum, bis es ſ<ließli< den Strauch erfaſſen und herausheben kann, worauf dur andere Schläge die Wurzeln losgebrochen und endlich verzehrt werden. Dabei hat man jedoch bemerft, daß die verſchiedenen Arten auch eine verſchiedene Auswahl ihrer Nahrung zu treffen pflegen.

Dem entſprechend hat die Loſung ein verſchiedenes Ausſehen und unterſcheidet ſich zuweilen von der des Elefanten ebenſo, wie ſie ihr in anderen Fällen ähnelt. Haßkarl fand in den 5—7 cm im Durchmeſſer haltenden Klumpen der Loſung des Wara-Nashornes oft Überreſte von fingerdi>ten Äſten, von Heuglin dagegen in der des Doppelnashornes immer nur fein zerkaute Pflanzenfaſern. Einigen aſiatiſchen Nashörnern ſcheint gemeinſam zu ſein, daß ſie ihre Loſung an beſtimmten Stellen abſeßen und nah und nah Haufen von bedeutendem Umfange auftürmen. Selous betont jedoch, daß die beiden Arten, die er in Südafriïa beobachtete, ſi< ganz abweichend verhalten: Das Stumpfnashorn läßt ſeine Loſung liegen, wie ſie fällt, ſchleudert ſie niht mit dem Horne umher und pflügt auh nicht den Boden auf, während das Doppelnashorn ſeine Loſung ſtets auseinander wirft, wobei es fußtiefe Löcher mit Horn und Naſe wühlt und häufig, wo immer es entlang zieht, halbkreisförmige Furchen in den Boden reißt. Schon an dieſen Spuren ſind die beiden Arten ſicher zu unterſcheiden.

Das Weſen der Nashörner hat wenig Anziehendes Sie freſſen entweder oder ſ{hlafen; um die übrige Welt bekümmern ſie ſi<h kaum. Fm Gegenſatze zu dem Elefanten leben ſie nicht in Herden, ſondern meiſt einzeln oder höchſtens in kleinen Trupps von 4—10 Stü. Unter ſolcher Geſellſhaft herrſcht wenig Zuſammenhang: jedes einzelne lebt in der Regel für ſih und thut, was ihm beliebt. Gleihwohl kann man nicht behaupten, daß eins das andere mit ſtumpfer Gleichgültigkeit betrachte; es bilden ſi vielmehr, ganz abgeſehen von einer Nashornmutter und ihrem Kinde, nicht ſelten Freundſchafts-, um nicht zu ſagen Eheverhältniſſe zwiſchen den verſchiedenen Geſchlechtern aus, welche ſehr inniger Art ſein können und vielleicht nur mit dem Tode endigen. Jn der Freiheit begegnet man öfters Paaren, welche alles gemeinſchaftli< thun, und an gefangenen und aneinander gewöhnten Nashörnern beiderlei Geſchlechtes kann man eine wahrhaft zärtliche Liebe wahrnehmen. Schwerfällig wie der Leib erſcheint auh das geiſtige Weſen, aber weder der cine noh das andere iſt es wirklih. Für gewöhnlich ſchreitet ein Nashorn gewichtig und etwas plump dahin, und wenn es ſi niederlegt oder wälzt, thut es dies anſcheinend ſo ungeſchi>t wie möglih; alle Bewegungen aber ſehen unbeholfener aus, als ſie thatſählih ſind. Behende