Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Alpenſteinbo>: Nahrung. Fortpflanzung. Blendlinge. Feinde. 181

Verſchiedene Urſachen wirken zuſammen, daß das Steinwild au< da, wo es ſorgſam gehegt wird, ſi< nur langſam vermehrt. Mit Ausnahme des Menſchen hat es von ihm gefährlih werdenden Feinden wenig zu leiden. Große Raubvögel, namentlich der Steinadler und vielleicht auh der Bartgeier, bedrohen junge Zi>lein, jagen aber, dank der Wachſamkeit ihrer Mütter, wohl nur in ſeltenen Fällen mit Erfolg auf ſie; älteres Steinwild mag unter Umſtänden dur< Luchs, Wolf und Bär gefährdet ſein: meines Wiſſens liegen jedoh feine beſtimmten Beobahtungen über Angriffe ſeitens der genannten Raubtiere vor. Verderblicher als alle genannten Feinde zuſammengenommen erweiſt ſi die Unmwirtſamkeit des Aufenthaltsortes im Winter und im Frühlinge. Wie Wilczek im Val Savaranche erfuhx, verlieren alljährlih verhältnismäßig viele Steinböde ihr Leben dur Lawinenſtürze, und zwar meiſt ſtarke Böe, welche der Gefahr mit kühlerem Mute in das Auge zu ſehen ſcheinen als die jüngeren und furhtſameren. Die alte Geiß ſoll immer nur ein Fahr um das andere ein Kibchen bringen und niht bloß ſolange dieſes ſaugt, ſondern ſolange ſie überhaupt mit ihm geht, niht beſhlagen werden. Der ſ{limmſte Feind auh des Steinwildes aber iſ und bleibt der Menſh, vor allem der Wilderer. Wahrſcheinlih gibt es kein be\{<werliheres und gefahrbringenderes Unternehmen als die Steinwildjagd, wie ſie von ihm betrieben wird. Alles, was von den Gefahren der Gemsjagd geſagt werden kann, gilt auch, wie Schinz treffend hervorhebt, und in no< höherem Grade von der Steinbo>kjagd. Wegen der Seltenheit ſeines Wildes muß ſi< der Jäger gefaßt machen, 8—14 Tage, fern von allen menſhlihen Wohnungen, alſo meiſt unter freiem Himmel im Hochgebirge zu verleben; Froſt und Schnee, Hunger und Durſt, Nebel und Sturm zu ertragen, bei eiſigem Winde oft mehrere Nächte nacheinander auf harten Felſen ohne alles Obdach zuzubringen und ſehr oft nah langen Prüfungen ſeines Mutes leer nah Hauſe zu kehren; er muß ſelbſt im günſtigſten Falle mit der mühſam erworbenen Beute alle begangenen Pfade vermeiden, um jeder Begegnung mit Jagdaufſehern auszuweichen; er muß ſ{hwindelfrei die furhtbarſten Pfade wandeln können und im Tragen ſhwerer Laſten geübt, um überhaupt im ſtande zu ſein, den Lohn ſeiner Anſtrengungen heimzubringen. So geſchieht es nur zu oft, daß er anſtatt eines erlegten Wildes Not und Elend in ſeine ärmliche Hütte bringt, ganz abgeſehen davon, daß er jeden Tag Gefahr läuft, dur<h Abſtürzen oder durch die Kugel des Fagdberehtigten gefällt, in grauſiger Tiefe zu zerſhellen und Adlern und Geiern zur Speiſe zu werden. Der vom Wilderer glücklich erlegte Steinbo> wird, wie Tſchudi berichtet, auf der Stelle ausgeweidet, um die ſchwere Laſt zu vermindern, ſodann an den Läufen und mit dem ſchweren Gehörne feſtgebunden und über die Stirn gelegt; denn nur ſo iſt es einem Manne, welcher außerdem no< Gewehr und Jagdranzen zu tragen hat, mögli, mit ſeiner 60 bis 80 ks ſ<weren Bürde den Rückweg anzutreten.

So verwerflich dieſes wie alles Wildern auch erſcheinen mag, mit der nihtswürdigen Raubjägerei, welche die Bauern betreiben, läßt es ſi<h nie vergleihen. Noch immer iſt es möglich, junge lebende Steinböce für einen verhältnismäßig geringen Preis zu erhalten: ih ſelbſt habe einen ſolhen um die Summe von 400 Mark gekauft; aber es iſt dies nur möglich, weil die italieniſhen und Schweizer Raubſchüßen no< immer niht gänzlih von dem Schongebiete ausgeſchloſſen werden können. Mit Ausnahme der wenigen Steinbö>e, welche der Berechtigte an Tiergärten verſchenkte, werden alle, welche gegenwärtig auf den Markt fommen, geſtohlen, und zwar immer als nur wenige Stunden alte Zi>lein, welche man erbeutet, indem man ſc<honungslos die Mutter des Tierchens wegſchießt.

Über die in dem erwähnten Hegegebiete abgehaltenen re<htmäßigen Fagden verdanke ih Graf Wilczek die nachſtehenden Mitteilungen. Der König Viktor Emanuel verwandte, ſeitdem er das Jagdrecht der auf Seite 176 genannten Gemeinden erworben, bedeutende Summen auf die Hege des edlen Wildes und brachte alljährlich im Juli und Auguſt, d. h.