Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

198 Elfte Ordnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.

Unterwolle tritt ſtärker hervor, weshalb dann das Kleid viel lichter erſcheint als im Sommer. Die Hörner haben lihthorngraue, die Hufe und Afterhufe ſ<hwarze Färbung ; die Fris iſt erzfarben. Die merklih kleinere Geiß unterſcheidet ſich dur die Färbung niht vom Boe.

Die Schraubenziege wurde von Baron von Hügel in den höchſten Teilen des tibetiſchen Himalaja erbeutet und zu Ehren ſeines Freundes Falconer benannt, unter dieſem Namen auh, und zwar im Jahre 1839, von Wagner beſchrieben. Faſt gleichzeitig, im Fahre 1840 nämlich, lernte Vigne ſie kennen, beſchrieb ſie ebenfalls und wählte ihren landesüblichen Namen „Großhornziege“ zur wiſſenſchaftlichen Bezeihnung. Von beiden Reiſenden erfahren wir eigentlih nux, daß unſere Ziege die höchſten Gebirge ihrer Heimat bewohnt, oft auf niederen, jedoch unerſteiglichen Felſen in der Nähe des Waſſers ſich zeigt und deshalb den Namen Tſura führt, au< in dem Rufe ſteht, Schlangen zu verzehren. Erſt Adams gibt einen etwas ausführlicheren Bericht.

Die Schraubenziege iſt heimiſh im weſtlihen Himalaja und im nördlichen Afghaniſtan vielleicht bis nah Perſien. Sie findet ſih im Suleimangebirge und wahrſcheinli<h au< im Hindukuſch, allenthalben in Kaſhmir und noh weiter oſtwärts wahrſcheinlich auf der tibetiſchen Seite des Himalaja. Jnnerhalb des von Adams beſuchten Gebietes begegnet man ihr in kleinen Trupps, regelmäßig auf pflanzenarmen und felſigen Bergen, je nah der Fahreszeit höher oder tiefer. Kinlochs neuere Beobachtungen ſind ſhon oben wiedergegeben. Jhre Lebensweiſe gleicht der des Skyn oder Himalajaſteinbo>es oder aller Wildziegen insgemein; doh findet man Skyn und Markhur nur ausnahmsweiſe auf demſelben Gebiete, “weil ſih, na< Ausſage eines wohlunterrihteten Eingeborenen, beide niht vertragen, vielmehx ſofort zu kämpfen beginnen, wenn ſie zuſammentreffen. Hinſichtlich des Volksglaubens, welcher ſie als Schlangenfreſſer bezeichnet, forſchte Adams vergeblich nah Belegen und erfuhr nur das eine, daß die zweifellos unbegründete Meinung unter den Gebirgsbewohnern allgemein verbreitet iſt; Kinloh hat auh keine Beweiſe für die Richtigkeit der Anſicht erlangen fönnen, iſt aber nicht geneigt, ſie zu bezweifeln.

Blyth glaubt, in der Schraubenziege nihts anderes als eine vielleicht verwilderte Spielart der Hausziege zu erkennen; Adams aber widerſpricht dieſer Auffaſſung auf das beſtimmteſte und meint, daß der Markhur eher als eine der Stammarten unſeres Haustieres zu betraten ſein dürfte; die neueren Gewährsmänner ſtimmen ihm bei. Die Beobachtung des lebenden Tieres, welches in der Neuzeit wiederholt nah Europa gelangte und in ver: ſchiedenen Tiergärten ſich fortpflanzte, unterſtüzt leßtere Anſicht mehr als die erſtere; denn die Schraubenziege macht vollſtändig den Eindru> eines urſprünglichen, niht aber eines dur den Menſchen umgeſtalteten Geſchöpfes. Sie bekundet dieſelben Eigenſchaften wie ihre Verwandten, die Steinböcke und Wildziegen insbeſondere, bethätigt ebenſoviel Kraft als Gewandtheit und Behendigkeit, zeigt dieſelbe Unternehmungsluſt, den Mutwillen, die Kampfbereitſchaft und andere hervorragende Züge des Weſens der übrigen Wildziegen und weicht wohl in keiner Beziehung von dieſen ab. Mit ihrem Wärter befreundet ſie ſih bis zu einem gewiſſen Grade, ohne ſi jedo<h unbilliger Knechtſchaft geduldig zu fügen. Fn der Jugend heiter, ne>- und ſpielluſtig, dabei jedoch vorſichtig und ſogar einigermaßen ſcheu, nimmt ſie mit zunehmendem Alter mehr und mehr das troßige, herausfordernde Gebaren ihres Geſchlechtes an und wird ſchließli< zu einem a<htunggebietenden Gegner ſelbſt des ſtärkſten Mannes.

Bei dem Verſuche, die Frage der Abſtammung unſerer Hausziege und ihrer ungemein zahlreihen Raſſen zu löſen, laſſen uns Sage und Geſchichte vollſtändig im Stiche. Paſang und Markhur ſcheinen allerdings die meiſten Anrechte auf die Stammvaterſchaft des nüßlichen Haustieres zu haben; wix ſind aber nicht im ſtande, zu beſtimmen, wann die eine oder andere Art in den Hausſtand übergeführt wurde, wann und ob überhaupt zuerſt