Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

200 Elfte Ordnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.

Fißinger thebaiſhe Ziege (Hircus thebaica) genannten Raſſe auh die ägyptiſche Ziege (Hircus aegyptiaca). Niemals fehlt dieſen Darſtellungen der Bart.“

Aus vorſtehendem geht alſo hervor, daß bereits in den älteſten Zeiten Ziegenraſſen vorhanden waren, wel<he von den in unſeren Tagen lebenden ſi<h durchaus niht unterſchieden, und gerade dieſe Beſtändigkeit der betreffenden Raſſen erſchwert es, auh nur Mutmaßungen über den Urſprung auszuſprehen. Die, wie ſhon bemerkt außerordentlih große Anzahl der Raſſen geſtattet zur Zeit no<h niht einmal eine Aufzählung, geſ<hweige denn eine wiſſenſchaſtli<h begründete und überſichtlihe Darſtellung derſelben. Feder Reiſende welcher bisher no< wenig beſuchte oder beachtete Teile Fnnerafrikas und Aſiens betritt, findet neue Raſſen auf, und die Unterſchiede zwiſchen ihnen ſind ſo bedeutend, daß man verſucht ſein möchte, mehrere von ihnen als beſondere Arten anzuſprechen; Fißinger hat dies wirklih gethan und zwölf von ihnen, die gemeine europäiſche Hausziege, die berberiſhe die Sunda-, die platthörnige, die Zwerg-, Angora-, Kaſchmir-, die zottige, die nepaliſche, die ägyptiſche, die Mamber- und die thebaiſche Ziege, als vermeintlihe Stammarten der Raſſen aufgeſtellt. Geſtalt, Größe, Drehung und Wulſtung der Hörner, Entwi>elung der Ohren und des Euters Ausbildung des Haarkleides 2c. ſind ebenſo verſchieden wie die Größe und Geſtalt des Leibes, die Bildung der Glieder und die Färbung. Die Hörner erreichen vollſtändig die Größe und das Gewicht der mächtigen Gehörne des Paſang, verkümmern und ſ<rumpfen zuſammen, verkleinern ſi< bis zum Stummelhaften, verkümmern gänzlich oder treten doppelt auf, ſo daß eine Ziege deren vier trägt; die Dhren find aufrecht ſtehend oder hängend, nah vorn oder hinten gerichtet, klein und zierlih geſtaltet oder ſo großlappige Sclappohren, daß ſie beim Gehen faſt den Boden berühren: Clark maß die einer auf Mauritius lebenden Raſſe und fand, daß ſie bei 12 em Breite 50 em Länge hatten. Nach Gordon weichen, wie Darwin hervorhebt, die Euter der verſchiedenen Zuchtraſſen der Form nach bedeutend ab: bei der gewöhnlichen Ziege ſind ſie verlängert, bei der Angoraziege halbkugelig, bei den Ziegen von Syrien und Nubien zweilappig 2c. Das Vorhandenſein von Klauendrüſen an allen vier Füßen wurde früher für die Gattung Schaf und ihre Abweſenheit für die Gattung Ziege als ein bezeihnendes Merkmal erklärt; Hodgſon hat aber gefunden, daß bei der Mehrzahl der Himalajaziegen Klauendrüſen an den Vorderfüßen vorhanden find. M. Odrik teilt uns mit, daß in Nordweſtungarn vorkommende Ziegen beim Gehen dasſelbe Kniſtern wie Renntiere hervorbringen. Mehrere Raſſen tragen ein ungemein langes Vließ mit ſeidenartig feinen Wollhaaren, wieder andere zeigen auf ſolchem Felle verſchiedenartige Haarwucherungen in Geſtalt von Mähnen, Seitenſtreifen und dergleichen; der bekannte Bo>sgeruch iſt bei einzelnen bis zum Ekel ausgeprägt und bei anderen faſt vollſtändig verloren worden. Somit dürfte kaum ein einziges Merkmal aufzufinden ſein, welches als allen Raſſen gemeinſam bezeihnet werden könnte; und gleihwohl laſſen ſih alle untereinander kreuzen und erzielen wiederum fruchtbare Blendlinge.

Es würde, ſelbſt wenn der Raum unſeres Buches dies geſtatten ſollte, zur Zeit no< ein fruchtloſes Unterfangen ſein, auf dieſe ſo unendlih verſchiedenen Ziegenraſſen näher einzugehen; demungeachtet verdienen wenigſtens einige von ihnen eine kurze Beſprechung.

Als die edelſte unter allen dürfen wir wahrſcheinlih die Angoraziege (Capra hircus angorensis) hinſtellen, nah Anſicht einzelner Forſcher einen Abkömmling der Schraubenziege darſtellend, ein ſ{hönes, großes Tier von gedrungenem Leibesbau, mit ſtarken Beinen, kurzem Halſe und Kopfe, ſehr eigentümlih gewundenem Gehörne und auffallendem Haare. Beide Geſchlechter tragen Hörner. Die des Bockes ſind zuſammengedrü>t, niht gedreht, ſcharf gekantet und hinten ſtumpf zugeſpißt, ſtehen gewöhnlich wagereht von dem Kopfe ab, bilden eine weite, doppelte Shraubenwindung und richten ſih mit der Spiße nah aufwärts,