Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

210 Elfte Ordnung: Paarz2her; dritte Familie: Horntiere.

Nübenarten und die der meiſten Bäume; am gedeihlichſten ſind ihr alle Pflanzen, welche auf tro>enen, ſonnigen, fruhtbaren Höhen wachſen. Wieſen, welche mit Miſt oder ſonſtwie ſtinfender Maſſe beſudelt ſind, können niht als Weidepläße für Ziegen benußt werden: ſie ekeln ſi<h au< da no<h, wo ſhon lange vorher gedüngt wurde. Frei weidende Ziegen befommen nur Waſſer zu trinken, Stallziegen eine lauwarme Miſchung aus Roggenkleie, etwas Salz und Waſſer.

Die Ziege iſt {hon mit einem Alter von einem halben Fahre zur Fortpflanzung geeignet. Jhre Paarungsluſt, welche gewöhnlih in die Monate September bis November fällt und zuweilen noh ein zweites Mal im Mai ſi einſtellt, zeigt ſih dur< vieles Me>ern und Wedeln mit dem Shwanze an. Läßt man ihr den Willen niht, ſo wird ſie leiht frank. Der Bo iſt zu allen Zeiten des Jahres bereit und reiht, wenn er im beſten Alter, d. h. in ſeinem 2.—s8. Jahre ſteht, für 100 Ziegen hin. Die Mutterziege wirft 21—22 Wochen nah der Paarung 1 oder 2, ſeltener $ und nur ausnahmsweiſe 4 oder 5 Junge. Wenige Minuten nah ihrer Geburt richten ſih die Zi>lein auf und ſuchen das Euter der Alten; am nächſten Tage ſchon laufen ſie herum, und nah 4—s5 Tagen folgen ſie der Mutter überall hin. Sie wachſen raſh: im zweiten Monate ſproſſen die Hörnchen hervor; nah Verlauf eines Jahres haben ſie faſt ihre volle Größe erreicht.

Dex Nugzen der Ziege, welche man in vielen Gegenden als den größten Freund des Armen bezeichnen darf, iſt ſehr bedeutend. Jhre Unterhaltung koſtet wenig, im Sommer ſozuſagen gar nichts: ſie aber verſorgt das Haus mit Milch und liefert dem Unbemittelten au< no< den Dünger für ſein Feldſtü>. Lenz hat gewiſſenhaft Buch geführt und gefunden, daß eine Ziege, wenn ſie gut gefüttert wird, in einem Jahre 1884 Nößel Milch liefern kann.

Hier und da, ſo in Ägypten, treibt man die Ziegen mit ſtroßendem Euter vor die Häuſer der Milchverkäufer und melkt die gewünſchte Menge glei< vor der Thür. Der Käufer hat dadurch den Vorteil lauwarme Milch zu erhalten, und der Verkäufer braucht niht erſt zu Künſteleien, namentlich zu der ihm oft als notwendig erſcheinenden Verbeſſerung dur< Waſſer, ſeine Zuflucht zu nehmen. Man begegnet ſelbſt in den größten Städten Ägyptens einer Frau, hinter welcher eine zahlreiche Ziegenherde me>ernd herläuft. Sie ruft „lebn, lebn hilwe“/ d. h. „ſüße, ſüße Milh“, und hier und dort öffnet ſih ein Pförthen, und ein mehr oder minder verſchleierter dienſtbarer Geiſt weiblihen Geſchlechts oder ein brauner Äthiopier, welcher die Küche eines Funggeſellen zu beſorgen hat, ſ{hlüpft heraus, kauert ſi auf den Boden hin die Verkäuferin melkt ihm ſein Gefäß voll, und weiter geht die Rufende mit ihrex me>ernden Geſellſchaft. Die Ziegen der Nomaden und feſtwohnenden Sudaneſen werden täglich zweimal gemolken und rennen, wenn die Milch ſie drü>t, wie toll zu dem einfachen Zelte oder Hauſe ihres Herrn, gleichviel, ob ſie heute hier und morgen dort eingeſtellt werden; denn ſie wiſſen den jeweiligen Wohnplaß ihres Eigners mit aller Sicherheit aufz zufinden.

Außer der Mil< und dem von ihr gewonnenen Käſe, welcher in Griechenland eine große Nolle ſpielt, oder der Butter nüßt die Ziege dur ihr Fleiſh, ihr Fell und ihre Hörner. Das Fleiſch junger Zicklein iſt ſehr wohlſ<hme>end, obwohl faſt etwas zu zart, das älterer Ziegen niht ſ{hle<t; und wenn wir es niht ſo hoh achten wie andere Völkerſchaften, beweiſen wir damit nur, daß mit dem Geſchma>e nicht zu rechten iſt. Das Fell wird zu Korduan und Saffian, ſeltener zu Pergament verarbeitet; für erſtere Lederarten bildet das Morgenland immer noch die Hauptquelle. Aus den Fellen der Böke verfertigt man Beinkleider und ſtarke Handſchuhe, in Griechenland Wein- und in Afrika Waſſerſ<hläuche. Das Fell der gewöhnlihen Ziegen des Kaplandes wird zur Lederbereitung am höchſten geſhäßt. Das grobe Haar wird hier und da zu Pinſeln benußt oder zu Stri>ken