Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Tahr. Schafe. 218

eigentli<h niht zuſagende Klima ohne Beſchwerde ertragen. Kinloch gelang es mit Hilfe ſeines eingeborenen Jägers, ein ganz junges Kißchen, das er neben der weidenden Mutter entde>te faſt mühelos lebendig zu fangen und aufzuziehen. Der Liebling wurde zahm wie ein Hund, nahm ſi< aber bald allerlei Freiheiten heraus; ſo liebte er es, mit einem Sabe zwiſchen das Geſchirr auf den gede>ten Tiſch zu ſpringen und ſich das dort befindliche Brot anzueignen. Mit dem Kleinvieh befreundet ſih der Tahr bald, und zumal die Böcke ſcheinen in den weiblihen Schafen und Ziegen des Umganges durhaus würdige Genoſſen zu exbli>en, verfolgen dieſelben oft mit großer Ausgelaſſenheit und ſind ſofort geneigt, mit Ziegenböd>en, welche Übergriffe in ihre Gerechtſame niht dulden mögen, einen ernſten Strauß auszufehten. So ſelten man den Tahr in Gefangenſchaft hielt, ſo hat man doh beohbachten önnen, daß er ſi<h ohne Umſtände mit Hausziegen und ſogar mit Schafen paart; die Eingeborenen behaupten ſogar, daß für einen e<hten Tahrbo> unter Umſtänden auch ein weiblihes Moſchustier Gegenſtand der regſten Teilnahme ſein könnte. Fnnige Verhältniſſe dieſer Art ſollen aber niht von dem ſeitens des Botes erwünſchten Erfolge gekrönt werden. Aus allen Angaben geht hervor, daß unſer Tier in ſeinem ganzen Weſen und Sein eine ete Ziege iſt: eigenſinnig und mutwillig, aufmerkſam und ſelbſtändig, beweglich, ausdauernd und vorſichtig, dem anderen Geſchlechte ſehr zugethan und deshalb Gleichgeſinnten gegenüber händelſüchtig und raufluſtig wie die übrigen Glieder ſeiner Gattung.

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In leiblicher Hinſicht ſtehen die Schafe (O vis) den Ziegen außerordentlich nahe, in geiſtiger Hinſicht haben nur die wild lebenden Arten beider Gruppen Ähnlichkeit miteinander. Die Schafe unterſcheiden ſih von den Ziegen dur die regelmäßig vorhandenen Thränengruben, die flache Stirn, die kantigen, etwa dreiſeitigen, querrunzeligen, {<hne>enförmig gedrehten Hörner und den Mangel eines Bartes. Fm allgemeinen ſind ſie ſhlankgebaute Tiere mit {mächtigem Leibe, dünnen, hohen Beinen und kurzem Schwanze, vorn ſtark verſ<mälertem Kopſe, mäßig großen Augen und Dhren und doppelter, zottiger oder wolliger Behaarung. Fm Gerippe macht ſi<h zwiſchen ihnen und den Ziegen ſowie den Antilopen und Hirſchen ein erheblicher Unterſchied niht bemerkli<h; 13 Wirbel tragen Rippen, 6 ſind rippenlos, $—22 bilden den Shwanz. Der innere Leibesbau bietet keine beſonderen Eigentümlihkeiten. Alle wild lebenden Schafe bewohnen Gebirge der nördlichen Erdhälfte. Jhr Verbreitungsgebiet erſtre>t ſi< von Aſien bis Südeuropa, Afrika und den nördlichen Teil von Amerika. Fede Gebirgsgruppe Aſiens beſißt eine oder mehrere ihr eigentümliche Arten, wogegen Europa, Aſrika und Amerika ſehr arm erſcheinen und, ſo viel bis jetzt bekannt, je nur eine einzige Art aufzuweiſen haben. Mehrere Arten ſtehen einander ſehr nahe und ſind hauptſächlih auf die Verſchiedenheit ihrer Hörner begründet worden , deren Geſtalt, Größe und Windung als maßgebend betrachtet wird. Bei den einen iſ das re<te Horn von der Wurzel bis zur Spige links und das linke re<ts gewunden: dann treten die Hornſpiven nah außen hin auseinander; bei den anderen iſt das re<te Horn re<ts und das linke lints gewunden: dann wenden ſich die Hornſpißzen nah hinten, und das Gehörn erinnert ſomit an das der Ziegen. Ob und inwieweit man berechtigt iſt, nah dieſen und anderen ‘Verſchiedenheiten der Gehörne alle von den Forſchern bisher aufgeſtellten Arten anzuerkennen und feſtzuhalten, läßt ſih gegenwärtig nicht ermitteln: wirx kennen die Wildſchafe no< viel zu wenig, als daß wir im ſtande wären, ein beſtimmtes Urteil über ſie zu fällen. Doch hat ſih herausgeſtellt, daß ungeachtet einer niht unerheblichen Veränderlichkeit des Gehörns einer und derſelben Art das Gepräge der Hornbildung unzweifelhaſt als eines der Hauptmerkmale zur Beſtimmung der Arten angeſehen werden darf.