Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

678 Erſte Ordnung: Baumvögel; zweiunddreißigſte Familie: Kolibris.

in anderen Geländen des Eilandes dagegen, tros eifrigſter Nachforſchung, weder geſehen no< Kundſchaft von ihm erhalten. „Es bleibt für mich ein Rätſel“, ſagt ex, „welchen Weg dieſe Art im Herbſte einſchlagen mag, um ſüdlicher als Cuba zu gelangen. Denn im April kommt ſie von Süden her und iſt dann niht ſehr ſelten bei Havana und bei Cardenas. Bei Matanzas habe ih ſie niemals beoba<tet; ſie niſtet niht auf der Jnſel.“

Eine Art, die im Weſten Nordamerikas vorkommt (Selasphorus rufus), ſtellt fich nac Nuttalls Beobahtungeza Anfang April ein und kehrt um dieſelbe Zeit wie jener nah dem Süden und zwar nah Mexiko zurü>, wo ſie den Winter verbringt. Kings Kolibri (Eustephanus galeritus, derſelbe, der auf dem Feuerlande gefunden wurde und ſi über eine Ausdehnung von 3000 km längs der Weſtküſte Amerikas verbreitet) kommt auch nur im Frühlinge des ſüdlichen Gürtels in Chile an; zwei andere Arten, die hier wohnen, ſind ebenfalls Zugvögel: ſie zeigen ſi<h im Oftober und wenden ſi< um die Mitte des März wieder den Gleicherländern zu. Jedoch ſoll es vorkommen, daß einzelne jahraus jahrein im Süden verweilen, und dasſelbe iſ von nordiſchen Arten behauptet worden. Audubon meint, daß die Wanderung des Nachts geſchehe, kann aber ſelbſtverſtändlih Beſtimmtes hierüber niht angeben. Jch ſage ſelbſtverſtändlich; denn die Beobachtung der Kolibris iſt keineswegs leiht. Andere Zugvögel kann man mit dem Geſichte und dem Gehöre verfolgen: bei den Kolibris verſagen die Sinne uns ihre Dienſte. Auch das ſhärfſte Auge verliert den fliegenden Vogel oder iſt niht mehr fähig, ihn wahrzunehmen, und ebenſowenig kann das Ohr Aufſchluß geben über die Richtung und Entfernung, in welcher ex ſi< bewegt. Der Kolibri überraſcht ſtets; denn er macht immer den Eindru> eines zauberhaften Erſcheinens. Er iſt plößlih da, ohne daß man eigentlich re<t weiß, woher er gekommen, und verſhwindet ebenſo plößlih wieder. Wenn man in Nordamerika erſt einen geſehen hat, bemerkt man ſie bald überall. Ein Beobachter, der über ihr Erſcheinen einen anziehenden Bericht gegeben hat, ſagt, daß er eines Morgens mit der Nachricht gewe>t worden wäre: „Die Kolibris ſind da“, ſie zuerſt an einer gerade in Blüte ſtehenden Magnolie beobaŸtet, bald darauf überall wahrgenommen und in großer Anzahl zuſammen geſehen habe. Er fand aber, daß die Anzahl raſh abnahm. „Nach mehreren Tagen“, bemerkt er, „erſchien kaum noh einer dann und wann. Auch hörten wix bald nachher in der Stadt nur noch hier und da von einem einzelnen verſprengten Vögelchen. Daraus ſchien mir hervorzugehen, daß die Wanderung der Kolibris und ihr Einbruch in die Städte und Gärten zuerſt in Menge und in einem großen Heere geſchieht. Sie kommen wie die Flut, mit einer ſtark aufgeſhwollenen Welle. Dieſe Flut zieht von Süden her dur<hs Land, läßt überall einige Anſiedler zurü> und flutet, ſi< allmählih verlierend, nah Norden weiter. Es mag indes auch ſein, daß jene von uns beobachtete Magnolie auh nur deswegen anfänglich ſo zahlreich beſucht war, weil ſie wegen ihrer beſonders günſtigen Stellung ungewöhnlich frühzeitig blühte, und vielleiht verteilten ſih die Tiere infolge der mit jedem Tage in allen Winkeln und Verſte>en der Gegend ſi< mehrenden und ſih öffnenden Blüten.“

Wenn man das Leben dieſer Vögel begreifen will, muß man vor allen Dingen ihren Flug kennen zu lernen ſuchen. Ex beſtimmt ſozuſagen das ganze Leben; ex ſtellt den Kolibri erſt als das dar, was er iſt. Kein anderer Vogel fliegt wie er, und deshalb kann er auh mit anderen nicht verglihen werden. „Bevor ich ſie niht geſehen“, ſagt H. de Sauſſure, „hatte ih mir niemals eine Vorſtellung machen können, daß ein Vogel mit ſolher Schnelligkeit ſeine Flügel zu bewegen vermag, wie die Kolibris es thun. Sie luſtwandeln in der Luft, bald blißſ<hnell dahinſchießend, bald wiederum auf einer Stelle ſi erhaltend. Jhr Flug iſt zweiſah verſchieden: das pfeilſhnelle Dahinſchießen in gerader Richtung unterſcheidet ſi in jeder Beziehung von dem Schweben auf einer Stelle. Es iſt klar, daß lettere Bewegung die größte Kraftanſtrengung erfordert; denn der Kolibri muß, um ſih im