Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Kolibris: Wanderungen. Flugbewegungen. 679

Gleihgewicte zu erhalten, mit gleiher Kraft die Flügel nah oben wie nah unten ſchlagen. Dieſe Bewegung iſt ſo ſ{hnell, daß man von den Flügeln zuleßt nihts mehr wahrnimmt.“ Aber auch ihr ganzes Betragen und Weſen iſt haſtig, wie de Sauſſure ſagt, fieberiſch. „Sie leben in erhöhter, kräftigerer Weiſe als irgend ein anderes Weſen unſeres Erdballes. Vom Morgen bis ¿um Abend durcheilen ſie die Lüfte beim Suchen nach honiggefüllten Blumen. Man ſieht ſie ankommen, wie der Bliß ſi ſenkrecht vor einer Blume aufſtellen, ohne jeglihe Stüge ſic ſtillhalten, den Shwanz fächerförmig breiten und währenddem ihre Zunge wiederholt in das Fnnere der Kelche tauchen. Niemals laſſen ſie ſih auf einer Blüte nieder, und es gewinnt den Anſchein, als wären ſie ſtets bedrängt, immer ſo eilig, daß ihnen hierzu die Zeit gebräche. Sie ſchießen herbei, halten jählings an, ſeßen ſih höchſtens einige Sekunden lang auf einem kleinen Zweige nieder und fliegen wiederum davon, mit ſolcher Schnelligkeit, daß man ihr Abfliegen kaum bemerkt.“ Fn gleichem Sinne ſprechen ſi alle übrigen Beobachter aus. „Wie wundervoll“, ſagt Gould, „muß die Anlage ſein, welche die zitternde Bewegung eines Kolibris hervorbringt und ſie ſo lange erhält! Mir ſchien ihre Thätigkeit mit nichts vergleichbar, was ih je zuvor geſehen hatte; ſie erinnerte mi< an ein Stück Maſchinerie, die dur< eine mächtige Federkraft wirkt. Dieſe Eigentümlichkeit im Fluge übte einen ganz beſonderen Eindru> auf mich, da ſie gerade das Gegenteil von dem war, was ih erwartete. Der Vogel pflegt niht mit dem {nell ſhießenden Fluge einer Edel- oder Mauerſchwalbe durch die Luft zu gleiten, ſondern hält ſeine Flügel, während er von Blume zu Blume wandert, oder wenn er einen weiten Flug über einen hohen Baum odex über einen Fluß nimmt, in fortwährend zitternder oder hwirrender Bewegung. Wenn er ſi< vor irgend einem Gegenſtande ins Gleihgewicht ſeßt, ſo geſchieht dies ſo raſ<, daß es dem Auge unmöglich iſ, jedem Flügelſchlage zu folgen, und ein nebliger Halbkreis von Undeutlichkeit auf jeder Seite des Körpers iſt alles, was ſi< wahrnehmen läßt.“

Ganz ähnli<h drü>t ſi< von Kittliß aus. „Der Flug dieſer kleinen Vögel hat etwas ungemein Auffallendes; man möchte ſie faſt für Kerbtiere anſehen. Von einem Baume zum andern fliegen ſie ſo ſ<hnell, daß man ſie bei ihrer Kleinheit kaum bemerkt; aber vor jedem ſie anziehenden Gegenſtande verweilen ſie, in der Luft ſ{hwebend, mit aufre<hter Haltung des Körpers und ſo ſchneller Bewegung der Flügel, daß man ſie nur ſchimmern ſieht.“ Noch ausführlicher und verſtändlicher ſchildert Newton ihr Erſcheinen und Verſchwinden. „Erſteres“, ſagt er, „weiht ſo gänzlih-ab von dem gewohnten, daß derjenige, welcher das Atlantiſche Weltmeer niht gekreuzt hat, nimmermehr im ſtande iſt, ſi<h ein klares Bild hiervon vorzuſtellen. Selbſt die Vergleichung mit der {hwärmenden Sphinx kann nur zu gunſten der Kolibris ausfallen. Man ſteht bewundernd vor einer Blume: da erſcheint zwiſchen ihr und dem Auge plößlich ein kleiner dunkler Gegenſtand, ein Ding, das ausſieht, als ob es zwiſchen vier übers Kreuz gelegten Drähten aufgehängt wäre. Einen Augenbli> lang ſieht man es vor der Blume; einen Augenbli> ſpäter, und es befeſtigt ſich: man gewahrt den Raum zwiſchen jedem Paare der Drähte eingenommen von einem grauen Nebel; noh einen Augenbli>, und, einen Strahl ſaphirenen oder ſmaragdenen Lichtes werfend, ſchießt es hinweg, ſo ſ<nell, daß das Auge ihm nicht zu folgen vermag, das Wort unausgeſprochen, der feimende Gedanfe ungedacht bleibt. Es war ein kühner oder ein unwiſſender Mann, der zuerſt verſuchte, Kolibris fliegend abzubilden. Denn kein Stift, kein Pinſel kann den Vogel ſo wiedergeben. Man ſieht nur, daß der Leib ſenkre<ht gehalten wird, und daß jeder der ſich ſ{<hwirrend bewegenden Flügel einen Halbkreis bildet.“

Mit dieſen Worten ſtimmen dem Sinne nach alle genaueren Beobachter überein. Doch wiſſen wir jebt bereits \{<on, daß das Auftreten des Fluges und das Schwirren vor den Blüten nicht bei allen Arten genau in derſelben Weiſe geſchieht. So unterſcheidet ſih ein auf Cuba lebender Kolibri, laut Gundlach, dur ſeinen Flug nicht unerheblih von anderen