Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Kolibris: Furchtloſigkeit. Nahrung. 685

oder zwei neuere Beobachter nur haben bemerkt, daß ſie Bruchſtücke von Kerbtieren in dem Magen des Vogels gefunden hätten, Bruchſtücke, von welchen man glaubte, daß ſie dur< Zufall dahin gekommen ſeien. Der Mangel an Gelegenheit, den die Europäer haben, um dieſen Gegenſtand dur< Beobachtung oder Zergliederung zu erledigen, iſt Urſache geworden, jene Anſicht zu verallgemeinern. F< meinesteils kann entſchieden über dieſe Angelegenheit ſprehen. J< habe den Kolibri an ſ{<hönen Sommerabenden zeitweilig halbe Stunden lang auf jene kleinen, ſ{<wirrenden Kerbtiere, na<h Art der Fliegenfänger, aber mit einer Gewandtheit, die deren Flugbewegungen bei weitem übertrafen, jagen ſehen. Jh habe von Zeit zu Zeit eine große Anzahl dieſer Vögel zergliedert, den Fnhalt des Magens mit Vergrößerungsgläſern unterſucht und in drei von vier Fällen gefunden, daß er aus zertrümmerten Bruchſtü>ken von Kerbtieren beſtand. Oft wurden ganze, aber ſehr kleine Käfer no< unverſehrt wahrgenommen. Beobachtungen meiner Freunde ſtimmen mit dieſem Ergebnis vollſtändig überein. Man weiß ſehr wohl, daß die Kolibris hauptſächhlih jene glo>enförmigen Blumen lieben; ſie aber gerade ſind der Aufenthaltsort von kleinen Kerbtieren.““

Bullo> ſtimmt (1825) durchaus mit Wilſon überein. „Es iſt ſehr mögli“, ſagt er, „Daß die ganze Geſellſchaft Kerbtiere frißt; daß es viele thun, weiß ih gewiß. Jch habe ſie in Verfolgung ihrer kleinen Beute mit Aufmerkſamkeit beobachtet, im Pflanzengarten von Mexiko ſowohl wie in dem Hofe eines Hauſes von Tehuantepec, wo einer von ihnen von einem blühenden Pomeranzenbaume vollſtändig Beſiß genommen hatte, indem ex auf ihm den ganzen Tag ſaß und die kleinen Fliegen, die zu den Blüten kamen, wegſchnappte. Jh habe auch ſehr häufig geſehen, daß ſie Fliegen und andere Kerbtiere im Fluge aufnahmen und bei der Zergliederung dieſe in ihrem Magen gefunden. Jn einem Hauſe zu Jalapa, deſſen Hof ein Garten war, habe i< oft mit Vergnügen den Kolibris zugeſehen, wie ſie thre Jagd zwiſchen den unzähligen Spinnengeweben betreiben. Sie begaben \i{h mit Vorſicht in das Gewirr von Neben und Fäden, um die gefangenen Fliegen wegzunehmen; aber weil die größeren Spinnen ihre Beute niht gutmütig hergeben wollten, waren die Eindringlinge oft zum Nückzuge gezwungen. Die behenden kleinen Vögel pflegten, wenn ſie kamen, den Hof erſt ein- oder zweimal zu umfliegen, als ob ſie ihren JFagdgrund kennen lernen wollten; dann begannen ſie ihren Angriff, indem ſie mit Vorſicht unter das Net der hinterliſtigen Spinne flogen und nun plöglih auf die kleinen, eingewidelten Fliegen los\hoſſen. Fede Bewegung erforderte die größte Sorgfalt; denn oft hatten ſie kaum ſo viel Raum, um ihre Flügel zu bewegen, und das geringſte Verſehen würde auch ſie in die Spinnennege verwidelt und gefährdet haben. Übrigens durften ſie nux die Nete der kleinen Spinnen angreifen, da die größeren zur Verteidigung ihrer Feſtung herbeigeſtürzt kamen, ſobald ſie ſih naheten. Geſchah dies, ſo ſah man den Belagerer wie einen Lichtſtrahl aufſchießen. Gewöhnlich brauchte der Kolibri ungefähr 10 Minuten zu ſeinem Raubzuge.“

Uns Deutſche belehrte der Prinz von Wied zuerſt über die Nahrung der Kolibris. „Dhne die eben genannten Nachrichten“, fährt er fort, „über die Kerbtiernahrung unſerer fleinen Vögel damals no< zu kennen, ſprach ih mi< über dieſen Gegenſtand in der Beſchreibung meiner braſilianiſchen Reiſe (1821) und bald darauf in der ,Fſis“ (1822) aus. Jh bin ganz vollkommen hiervon überzeugt; denn ſelbſt die Magen der kleinſten dieſer Vögel fanden wir mit Kerbtierreſten vollgeſtopft, dagegen nie mit Pflanzenhonig angefüllt. Die Nahrung beſteht, meiner Überzeugung zufolge, in kleinen Käferhen, Spinnen, anderen Kerbtieren und dergleichen, und die Zunge iſt keine dur<hbrochene, zum Saugen geeignete Nöhre. Jhre beiden häutigen Spitzen ſind vollkommen geeignet, wenn ſie in den Grund der Blumenröhre gebraht werden, die daſelbſt befindlihen höchſt kleinen Kerbtiere zu fühlen, zu ergreifen und bis in den Schnabel zurückzuziehen. Bei Eröffnung der Magen dieſer kleinen Vögel überzeugt man ſi< bald von der Wahrheit dieſes Saßes; denn ih habe darin