Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

688 Erſte Drdnung: Baumvögel; zweiunddreißigſte Familie: Kolibris.

Tageszeit thätig ſei, die Sonnenſtrahlen aber ängſtlih meide, und ſo erzählt der Prinz von Wied von einem anderen, daß er ihn hauptſählih des Morgens geſehen habe, ſein Gefieder troŒnend. Der Zwergkolibri Jamaikas umſchwirrt wie eine Hummel die niederen Pflanzen dicht über dem Boden und erhebt ſih bloß ausnahmsweiſe in bedeutende Höhen, während der Rieſenkolibri ſi< ſehr oft in dieſen umhertreibt. Ein blühender Baum lo>t ſehr verſchiedene Arten herbei, und wenn man unter einem ſolchen verweilt, kann man im Laufe einer Stunde den größten Teil derjenigen, welche eine Gegend bewohnen, erſcheinen und verſhwinden ſehen.

Einige Reiſende, und unter ihnen von Spix und von Martius, haben von Shwärmen von Kolibris geſprochen, andere behaupten, daß die Vögel nur einzeln erſcheinen. „ZH muß“, ſagt der Prinz von Wied, „aus eigner Erfahrung erwidern, daß beide die Wahrheit ſagen; denn öfters haben wir ſehr viele Kolibris derſelben Art an einem mit Blüten bede>ten Baume innerhalb weniger Minuten erlegt, obgleich ſie ſonſt gewöhnlich vereinzelt fliegen.“ Stedmann erzählt, daß er um gewiſſe Bäume oft ſo viele Kolibris zugleich habe ſ<wärmen ſehen, daß ein Geſumme entſtanden ſei wie von einem Weſpenſhwarme. Dasſelbe hat mir Röhl, der länger als 20 Jahre in Venezuela gelebt hat, erzählt; ex bemerkte jedoh ausdrüdlih, daß eine ſol<he maſſenhafte Anſammlung nur dann ſtattfinde, wenn im Anfange der Blütezeit ein Baum plößlich viele ſeiner Blüten geöffnet habe. Gewöhnlih erſcheint einer nah dem andern, und jeder verweilt nur kurze Zeit an demſelben Orte. „„Shre Ungeduld iſt“, wie Azara ſi< ausdrü>t ¡viel zu groß, als daß ſie einen und denſelben Baum abſuchen ſollten.“ Sie erinnern, meint der Beobachter, von welchem ich weiter oben einiges mitteilte, an die Bienen; aber es ſtellt ſi<h zwiſchen beiden Geſchöpfen doch ein ſehr bemerkens8werter Gegenſaß heraus. „Die Biene iſt das Bild der Emſigkeit und des bedatſamen Fleißes. Sie fliegt, auh wenn ſie niht ſhwer beladen iſt, langſam zwiſchen den Blumen herum und unterſucht ſie vorſichtig, verkriecht ſi<h mühſelig tief in ihre Kelche und kommt beſtaubt wie ein Müller wieder daraus hervor: man ſicht es ihr an, daß ſie ein Arbeiter und Künſtler iſt. Der Kolibri dagegen erſcheint bloß als ein naſch- und flatterhafter Geſell.“ Faſt dasſelbe ſagt Bates.

„Zn den Monaten März, April und Mai“ teilt uns Goſſe mit, „iſt der Kavpenkolibri außerordentlich häufig. Jh darf annehmen, manchmal niht weniger als 100 nah und nah auf einem geringen Raume und im Laufe eines Vormittags geſehen zu haben. Sie ſind abex durhaus niht geſellig; denn wenn auh ihrer drei oder vier zu gleicher Zeit die Blüten desſelben Buſhes umſchweben wögen, ſo bemerkt man doch keine Vereinigung. Feder einzelne wird geleitet dur ſeinen eignen Willen und beſchäftigt ſih nur mit ſeinen eignen Geſchäften. Zuweilen ſieht man faſt lauter Männchen, zuweilen beide Geſchlechter in ziemlih gleicher Menge erſcheinen; eine eigentliche Vereinigung der Geſchlechter findet aber auh bloß in der Nähe des Neſtes ſtatt. Zwei Männchen einer und derſelben Art halten niemals Frieden, ſondern geraten augenbli>li<h in Kampf und Streit miteinander; ja, einzelne zanken ſih mit jedem Kolibri überhaupt, welcher in ihre Nähe kommt, und ebenſo mit vielen anderen Vögeln. Von ihrer Kampfluſt iſt oft geſprochen worden, und in der That ſcheint es unmöglih zu ſein, daß zwei derſelben Art die Blüten eines Buſches gleichzeitig abſuchen können. Der Mango verjagt außerdem alle übrigen Kolibris, die ſi< in ſeiner Nähe zeigen. Einſt war ih Zeuge eines Zweikampfes zwiſchen dieſen Vögeln, der mit gvößerer Heftigkeit ausgeführt und mehr in die Länge gezogen wurde als gewöhnlih. Es war in einem Garten, in wel<hem zwei Bäume in Blüte ſtanden. Einen dieſer Bäume hatte ein Mango ſeit mehreren Tagen regelmäßig beſu<ht. An dem Morgen nun, den ih im Sinne habe, erſchien ein anderer, und nun begann ein Schauſpiel, das mich auf das höchſte anzog. Die beiden jagten ſih dur< das Wirrſal von Zweigen und Blüten, und der eine