Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Kolibris: Zuſammenleben. Kampfluſt. 689

ſtieß ab und zu mit anſcheinender Wut auf den anderen. Dann vernahm man ein lautes Rauſchen von ihren Flügeln, und beide drehten ſih wirbelnd um und um, bis ſie faſt zum Boden herabkamen. Dies geſchah ſo ſ{<hnell, daß man den Kampf kaum verfolgen konnte. Scließlih pate einer in meiner unmittelbaren Nähe den anderen beim Schnabel, und beide wirbelten nun ſenkre<ht hernieder. Hier ließen ſie voneinander ab; der eine jagte den anderen ungefähr 100 Schritt weit weg und kehrte dann ſiegesfreudig zu ſeinem alten Plage zurü>, ſette ſih auf einen hervorragenden Zweig und ließ ſeine Stimme erſchallen. Nach wenigen Minuten kehrte der verfolgte zurü>, ſchrie herausfordernd, und augenbli>li< begann der Kampf von neuem. Jch war überzeugt, daß dieſes Zuſammentreffen durhaus feindlih war; denn der eine ſchien ſi< entſchieden vor dem anderen zu fürchten und floh, während dieſer ihn verfolgte, obwohl er eine neue Herausforderung nicht unterlaſſen konnte. Wenn ein Gang des Kampfes vorüber war und der eine ausruhte, ſah ih, daß er ſeinen Schnabel ‘geöffnet hatte, als ob er nah Luft ſ{hnappe. Zuweilen wurden die Feindſeligteiten unterbrochen und einige Blüten unterſucht, aber eine gegenſeitige Annäherung brachte beide wieder aneinander, und der Zank begann von neuem. Ein kleiner Pitpit (Certhiola flayeola), der zwiſchen den Blüten umherhüpfte und ſtill ſeines Weges ging, ſchien ab und zu mit Verwunderung auf die Streiter zu ſehen; als aber einer von dieſen ſeinen Gegner in die Flucht geſchlagen hatte, ſtürzte er ſih plößli<h auf den harmloſen Blumenvogel, der ſich nun ſchleunigſt zurücfziehen mußte. Der Krieg (denn es war ein wirklicher Feldzug, eine regelmäßige Folge von Kämpfen) dauerte eine volle Stunde.“

Salvin verſichert, daß einzelne Kolibris durch ihre Kampfluſt dem Jäger oft die Jagd vereiteln, weil ſie alle anderen Kolibris, welche ſich ihrem Aufenthaltsorte nähern, überfallen. „Es ſchien mir“, ſagt er, „daß Kampf und Streit ihr Hauptgeſchäft ſei. Kaum hatte einer von ihnen ſeinen langen Schnabel in eine Blume geſte>t, ſo gefiel dieſelbe Blume einem andern beſſer, und der Zweikampf begann auf der Stelle. Zuweilen flogen ſie dabei wie zwei umeinander herumwirbelnde Funken einer Feuereſſe ſo hoh in die Luft, daß ſie unſeren Bli>ken entſhwanden.“ Fm Vergleiche zu ihrer liliputaniſhen Größe ſind ſie überhaupt äußerſt heftige und reizbare Geſchöpfe. Sie fühlen ſich keineswegs {hwach, ſondern ſind ſo ſelbſtbewußt, dreiſt und angriffsluſtig, daß ſie, wenn ihnen dies nötig ſcheint, jedes andere Tier anfallen. Wütend ſtoßen ſie auf kleine Eulen und ſelbſt auf große Falken herab; angriffsluſtig nahen ſie ſi<h ſogar dem Menſchen. Jn der Nähe ihres Neſtes ſhwingen ſie ſich bis zu bedeutender Höhe empor und ſtürzen ſi<h von hier aus unter eigentümlich pfeifendem, durch die ſchnelle Bewegung ihrer Flügelſchläge bewirktem Geräuſch ihrer Flügel wieder auf den Gegenſtand ihres Zornes hernieder, offenbar in der Abſicht, ihn zu ſchre>en, gehen aber au< zu thätlichen Angriffen über und gebrauchen ihren feinen Schnabel mit ſo viel Kraft und Nachdru>, wie ſie vermögen. Bullo>, der ebenfalls von ihren Angriffen auf Falken erzählt, glaubt, daß ſie den nadelſharfen Schnabel gegen die Augen anderer Vögel richten und dieſe dadurch in eilige Flucht treiben: das Wahre an der Sache wird wohl ſein, daß ſie ſelbſt einem Falken den Mut rauben, weil dieſer nicht im ſtande iſt, ſie zu ſehen, und troß ſeiner gewaltigen Waſſen ſeine Machtloſigkeit ihnen gegenüber erkennen muß. Es mag ein reizender Anbli> ſein, ſolchen Rieſen vor ſo zwerghaften Feinden flüchten zu ſehen.

Abgeſehen von der Brutzeit, während welcher die Kolibris jedes Weſen angreifen, welhes ſih dem Neſte nähert, beweiſen ſie ſi< dem Menſchen gegenüber in hohem Grade zutraulih. „Sie ſind durchaus nicht heu, laſſen ſi in größter Nähe betrachten, fliegen ohne Bedenken diht vor dem Auge des Beobachters hin und her und verweilen, ſolange dieſer ſi ruhig verhält, ohne jegliche Beſorgnis. Goſſe ſagt, daß ſie ſehr neugierig ſeien und zu einem Gegenſtande, der ihnen auffalle, herbeikämen, Gundlach, daß ſie einen Blütenſtrauß,

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. IV. 44