Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Kolibris: Neſtbau. Pflege der Jungen. Gefangenleben. 693

vom Winde hin und her bewegten Zweig feſtzuhalten. Doch war dies nur dann der Fall, wenn die Sonne ſchien, während ih mich bei düſterem Himmel oder bei Regenwetter höch: ſtens auf 5 m nähern durfte. Wenn ich es aufgeſheuht hatte, blieb ih oft in der Nähe ſien, um ſeine Rükehr abzuwarten. Dabei bemerkte ih, daß es jedesmal beim Zurück: fommen ein kleines Stü>fchen Flehte mitbrachte, das es, nachdem es ſi< bequem in das Neſt geſeßt hatte, in deſſen Außenſeite einwob. Dies geſhah in einer ſo vertrauensvollen und furchtloſen Weiſe, daß es ſchien, als ob es glauben machen wollte, es ſei bloß um dieſe Flete zu ſuchen, nicht aber aus Furcht vor dem Menſchen weggeflogen. Die eben ausgetrochenen Jungen waren kleine, ſhwarze, formloſe Dinger mit langen Hälſen und nur einem Anſaße von Schnabel. Sie wuchſen aber raſh heran und füllten das Neſt bald vollſtändig aus. Niemals ſah i< die Alte in der Brutſtellung auf dem Neſte ſißen, na<hdem die Jungen ausgekrochen waren; dieſe ſchienen der Sonne und dem Regen rü>ſihtslos preisgegeben zu ſein. Beim Agen ſtand das Weibchen auf einer E>e des Neſtes mit hoch aufgerihtetem Leibe. Das erſte von den Jungen flog am 15. Oktober aus, fiel aber ſhon zwiſchen den nähſten Blumen nieder. Jch brachte es ins Neſt zurü>; doch flatterte es \ofort wieder ab und diesmal mit beſſerem Erfolge. Am Abend desſelben Tages ſah ih, wie die Alte ihm Futter brachte, ſpäter bemerkte ih, wie es einem zweiten Baume zuflog, und nunmehr ſah ih es niht mehr. Das zweite Junge verließ das Neſt zwei Tage ſpäter.“

Eine abſonderliche Beobachtung hat der Prinz von Wied gemacht. Fn einem Neſte, das er fand, lagen zwei völlig na>te Junge, an denen große, di>e Maden dergeſtalt umherrochen, daß ſie die Vögel öfters beinahe verbargen. „Wie dieſe Maden hier entſtanden waren, wage ih niht zu entſcheiden; man ſagt aber, daß ſie an dieſen jungen Vögeln häufig vorkommen.“ Burmeiſter meint, daß die Maden ſhwerli<h den jungen Vögeln, ſondern vielmehr deren Kote nachſtellen dürften und ihre Anweſenheit zur Reinhaltung des Neſtes nötig wäre, erklärt jedo<h damit die Sache durchaus niht, da wir niht annehmen fónnen, daß einzelne Kolibris ihre Neſter reinhalten, die anderen aber ihre Jungen, nah Art unſeres Wiedehopfes oder der Blaurake, im Shmute ſigen laſſen ſollten. So häufig, wie die Braſilier behaupten, mögen dieſe Maden übrigens niht beobachtet werden, da keiner der ſpäteren Reiſenden und Forſcher etwas Ähnliches erwähnt.

Audubon gtiaubt, daß die Jungen, die bald na<h dem Ausfliegen ſi< mit anderen vereinigen, abgeſondert von den Alten die Wanderung antreten, da er oft 20 oder 30 junge Kolibris, in deren Geſellſchaft ſih ein einziger Alter befand, gewiſſe Bäume umſchweben ſah. Db dieſe Anſicht begründet iſt, laſſe i< gern dahingeſtellt ſein.

Über das Gefangenleben der Kolibris liegen verſchiedene Beobachtungen vor. Da der Gegenſtand ein allgemein anziehender iſt, will ih wenigſtens die wichtigeren Mitteilungen hier folgen laſſen. „Einige Leute“, erzählt Azara, „haben Kolibris gefangen gehalten. Don Pedro Melo, Statthalter von Paraguay, hat alte ungefähr 4 Monate lang bei ſich gehabt, frei im Zimmer fliegend. Dieſe lernten ſehr gut ihren Gebieter kennen : ſie küßten ihn und umſlogen ihn, wenn ſie Futter verlangten. Dann brachte Melo ein Gefäß mit Sirup, und in dieſes ſte>ten die Kolibris ihre Zunge. Von Zeit zu Zeit reichte er ihnen auch einige Blumen, und unter dieſen Vorſichtsmaßregeln waren die lieblihen Vögel faſt ebenſo munter wie im Freien. Sie gingen auh nux durch die Nachläſſigkeit der Bedienten zu Grunde.“ '

Von anderen Verſuchen berichtet Wilſon: „Die Seltſamkeit dieſer kleinen Vögel hat viele Leute angeregt, ſie großzufüttern und an die Gefangenſchaft zu gewöhnen. Coffer, ein Mann, der die Sitten und Gewohnheiten unſerer einheimiſhen Vögel mit großer Aufmerkſamkeit beobachtet hat, erzählte mir, daß er zwei Kolibris mehrere Monate in einem Käfige gehabt und ſie mit aufgelöſtem Honig erhalten habe. Die Süßigkeit zog kleine