Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

698 Erſte Ordnung: Baumvögel; zweiunddreißigſte Familie: Kolibris.

aus, von welchen ſie ein jeder ein wenig tiefer brachte. Sie kamen ſehr häufig, um zu ſaugen, nahmen aber niemals viel auf einmal. Doch leerten ihrer fünf immerhin ein Weinglas täglih. Jhr Kot war ſtets flüſſig und gleih dem Sirup, den ſie eingenommen hatten.

„Alle gingen erſt ſpät zur Ruhe, und oft ſah man ſie noh bis zur Dämmerung jagen und umherſchweifen. Sie waren au< während der Nacht ſehr unruhig und konnten leicht aufgeregt werden. Trat man mit einem Lichte in das Zimmer, ſo ſette man jederzeit einen oder zwei von ihnen in Bewegung. Sie ſchienen dann denſelben Schre>en zu empfinden wie im Anfange ihrer Gefangenſchaft, flogen auch wie früher gegen die Wände und ſtarben ſogar vor Angſt, wenn man niht beſonders auf ſie achtete.

„Nachdem meine gefangenen Kolibris das erwähnte Zimmer einige Zeit bewohnt hatten, ſebte ih fünf in einen großen Käfig, deſſen eine Seite mit Draht vergittert war. J<h hatte dieſen Wechſel ſehr gefürchtet und brachte ſie deshalb des Abends in den Käfig, in der Hoffnung, daß die Nacht ſie beruhigen werde. Schon früher waren ſie dur< das Sirupgefäß nah und nach in das Fnnere des Käfigs gewöhnt worden, das ihnen ſomit wenigſtens kein unbekannter Raum mehr war. Nachdem ih die Thür geſchloſſen hatte, flatterten ſie ein Weilchen; aber am nächſten Tage ſah ih zu meinem Vergnügen, daß alle ruhig auf den Springhölzern ſaßen und auch von dem Sirup nahmen. Bald darauf brachte ih noch zwei Männchen zu ihnen und ſpäter auh ein Weibchen. Dieſes hatte ſi ſhon am nähſten Tage zu einem langſ<hwänzigen Männchen geſellt, das bis dahin einen Sigplaß allein innegehabt, und bemühte ſih augenſcheinlih, Liebe zu erwerben. Es hüpfte ſeitwärts auf der Sißſtange gegen ihn hin, bis es ihn berührte, ſpielte ihm zart in ſeinem Geſichte, hlug mit den Flügeln, erhob ſih fliegend über ihn und that, als ob es ſi< auf ſeinen Rütten ſetzen wollte 2c. Er aber ſchien, wie ih zu meinem Bedauern ſagen muß, höchſt unhöflich oder gleichgültig gegen derartige Liebkoſungen zu ſein.

„ZH hegte nun die größte Hoffnung, ſie lebend nah England zu bringen, da ih meinte, daß die ärgſten Schwierigkeiten jet vorüber ſeien. Aber alle meine Hoffnungen wurden bald zerſtört. Schon eine Woche, nahdem ich ſie in den Käfig gebracht hatte, begann das Verderben. Zuweilen ſtarben zwei an einem Tage. Jn der nächſten Woche hatte ih bloß noch einen einzigen, der den anderen au< bald na<hfolgte J<h verſuchte vergeblich, ſie dur neue zu erſeßen; die ergiebigſten Jagdgründe waren aber jeßt verödet. Die Todesurſache war unzweifelhaft der Mangel an Kerbtiernahrung; denn der Sirup, den ſie fortwährend nahmen, konnte doh nicht genügen, ſie zu erhalten. Alle, welche ſtarben, waren ausnehmend mager und ihr Magen ſo zuſammengeſhrumpft, daß man ihn kaum erkennen konnte. Fm größeren Raume hatten ſie noh Kerbtiere fangen können, im Bauer war ihnen dies unmögli<h geweſen.“

Yarell meint, wie Goſſe noh bemerkt, daß es möglih ſein könne, Neſtjunge an Sirup zu gewöhnen, beweiſt damit aber nur, daß er niemals Tiere lebend gehalten hat. Auch Hunde kann man eine Zeitlang mit Zu>ker füttern: man ernährt ſie damit aber nicht, ſondern bereitet ihnen ein ſicheres Ende. Es unterliegt für mih keinem Zweifel, daß es unmöglich iſt, einen Kolibri längere Zeit mit Zu>er oder Honig allein zu erhalten; aber ih bezweifle niht, daß es mögli< ſein wird, dieſe lieblihen Vögel an ein Erſaßfutter zu gewöhnen. Anfänglich wird man ſi hierbei auf Ameiſenpuppen beſ<hränken müſſen; ſpäter aber kann man wahrſcheinlih anſtatt deſſen fein zerſtoßenen Zwieba>, Quark und Eidotter anwenden. Um die Vögel zum Freſſen zu bringen, wird man dasſelbe Verfahren anzuwenden haben, das Goſſe beſchreibt, und während des Sommers wird für friſhe Blumen beſtmöglih geſorgt werden müſſen. So möchte es, meiner Anſicht nah, möglich ſein, Kolibris lebend nah Europa zu bringen und ſie hier wenigſtens einige Zeit zu erhalten. Daß leßbteres gelingen kann, geht aus Goulds Erfahrungen hervor. „Die amerikaniſchen