Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Segler: Allgemeines. | 701

Mehr als andere Vögel bewohnen ſie im eigentlichen Sinne des Wortes das Luſftmeer. Vom frühen Morgen an bis in die Nacht hinein ſind ſie in Thätigkeit. Fhre Kraft ſcheint niemals zu ermatten und ihre Nachtruhe auf wenige Stunden beſchränkt zu ſein. Vortrefſlihe Flugwerkzeuge ſeben ſie in den Stand, ohne Beſchwerde tagtäglich Stre>en zu durceilen, die zuſammengerehnet Hunderte von Kilometern betragen müſſen. Abweichend von den Shwalben, fliegen ſie gewöhnlih in hohen Luftſchichten dahin, und einzelne Arten wirbeln und ſhrauben ſi< zu ſolchen Höhen empor, daß ſie unſerem Auge vollſtändig entſchwinden. Jhr Flug kennzeihnet ſie von weitem. Die Flügel gleichen, wenn ſie ausgebreitet ſind, einem Halbmonde und werden ſo raſh und heftig bewegt, daß man mehr an das Shwirren der Kerbtiere und der Kolibris erinnert wird als an den Flügelſhlag anderer Vögel. Zuweilen regeln ſie ihren Flug minutenlang nur durch leichte Drehung der Flügel und des Schwanzes, dur verſchiedenes Einſtellen der Flug: werkzeuge, das wir faum oder niht wahrnehmen, jagen aber troßdem pfeilſchnell dur die Lüfte. Wendungen und Drehungen aller Art wiſſen auch ſie meiſterhaft auszuführen, an Zierlichkeit und Anmut der Bewegung aber ſtehen ſie hinter den Edelſhwalben weit zurü>. Auf dem Boden erſcheinen ſie als hilfloſe Geſchöpfe: unfähig, zu gehen, unfähig faſt, zu friehen. Dagegen klettern ſie, wenn auh niht geſchi>t, ſo doh mit ziemlicher Fertigkeit an Mauer- oder Fel8wänden empor und in Höhlungen auf und nieder.

Jhre ewige Raſtloſigkeit bedingt bedeutenden Verbrauch der Kraft und demgemäß ungewöhnlich reichen Erſaß. Die Segler ſind bei weitem gefräßiger als die Schwalben und vertilgen von den Kerbtieren, die ihre aus\chließlihe Nahrung ausmachen, Hunderttauſende an einem Tage; denn auch die ſtärkſten Arten der Familie, die einen etwa droſſelgroßen Leib haben, nähren ſi hauptſächlih von den kleinen Kerfen, die ſi in hoher Luft umhertreiben und uns wahrſcheinlich größtenteils no< re<t unbekannt ſind. Wie viele dieſer winzigen Tiere ein Segler zu ſeiner täglichen Nahrung bedarf, vermögen wir niht anzugeben; wohl aber fönnen wir behaupten, daß die Nahrungsmaſſe eine ſehr bedeutende ſein muß, weil aus dem Betragen des Vogels zur Genüge hervorgeht, daß er jagt und frißt, ſolange er fliegt.

Unter den Sinnen ſteht, wie das große wimperloſe Auge vermuten läßt, das Geſicht obenan; der näcſtdem am beſten entwi>elte Sinn dürfte das Gehör ſein; über die übrigen vermögen wir nichts zu ſagen. Der Geiſt ſcheint wenig ausgebildet zu ſein. Die Segler ſind zwar geſellige, aber feine8wegs friedfertige, im Gegenteile zankſüchtige und raufluſtige Geſchöpfe, die niht bloß mit ihresgleihen, ſondern auh mit anderen Vögeln im Streite liegen. Als flug oder liſtig kann man ſie nicht bezeihnen: ihr ganzes Weſen zeichnet ſich vielmehr dur ſtürmiſche Heftigkeit aus, die ſogar die eigne Sicherheit rücſichtslos auf das Spiel ſeßen fann.

Alle Segler, welche den gemäßigten Gürtel der Erde bewohnen, ſind Zugvögel, diejenigen, welche den Wendekreisländern angehören, mindeſtens Strichvögel. Der Zug geſchieht, wenigſtens bei einigen Arten, mit der größten Regelmäßigkeit. Sie erſcheinen in ihrem Vaterlande faſt genau mit dem einmal feſtſtehenden Tage und verlaſſen es zu einer ebenſe beſtimmten Zeit wieder; die Friſt, die ſie in der Heimat verweilen, iſt aber nah den verſchiedenen Arten ſehr verſchieden. Daß die innerafrikaniſchen Arten ſtreichen, das heißt zeitweilig ihre Brutpläge verlaſſen und wieder zu ihnen zurü>kehren, geht aus meinen eignen Beobachtungen hervor; von den ſüdaſiatiſchen und ſüdamerikaniſchen Arten iſt dasſelbe behauptet worden.

Bei den Zugvögeln der Familie beginnt der Bau des Neſtes unmittelbar nah ihrer Ankunft in der Heimat; denn dex Aufenthalt hier währt ſo kurze Zeit, daß ſie mit ihrem Fortpflanzungsgeſchäfte vollauf zu thun haben. Unter lärmendem Geſchrei verfolgen ſih