Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Alpenſegler: Flugbewegungen. 709

in weiter Ferne, vom leichten Dufte halb verhüllt, die Balearen aufſteigen; nach den übrigen Seiten hin haftet das ſuchende Auge an zerriſſenen Bergen und Gebirgsfetten ohne Zahl. An einem der gewaltigen Obelisken hat der Alpenſegler eine Siedelung gegründet und auh dem verwandten Mauerſegler geſtattet, an derſelben Felswand ſich einzuniſten. Kein einziger unſerer kleinen vogelſammelnden und beobachtenden Geſellſchaft konnte dem Gelüſte widerſtehen, auf die Alpenſegler zu jagen, die das „Roß des heiligen Ferdinand“, wie der erwähnte ſäulenartige Felsblo> im Munde des Volkes genannt wird, zu Tauſenden umſ{wirrten. Jhre Neſter befinden ſi< in einer mähtigen Felſenburg ho< über dem Fuße der ſenkre<ht abfallenden Wand. Jh betrat das dur< eine ſ{hmale Felſenzunge mit dem übrigen Berge zuſammenhängende, wie eine Fnſel aus dem Meere oder wie der E>turm einer Rieſenfeſte aufſtrebende Felsſtü>, um auf die flüchtigen Segler zu fahnden, und ſchaute in den ungeheuern Abgrund hinab, der ſih zu meinen Füßen öffnete und erſt in dem felſigen, vom Llobregat rauſchend durhtobten Flußthale ſein Ende zu finden ſchien. Auf der andern Seite meines ſhmalen Standortes wagte ih, der ih nie Schwindel gekannt habe, niht hinabzuſehen. Mir grauſte. Ein hinabgeworfener Stein brauchte lange Zeit, ehe er wieder auf Felſen fiel; der Schall des dur den Aufprall bewirkten Geräuſches drang erſt 9 Sekunden nah dem Wurfe des Steines zu uns herauf. Viele, viele Alpenſegler in förmlichen Reihen hintereinander dur{flogen den engen Paß, der ſich zwiſchen dem einzelnen Felskegel und den übrigen Gebirg8maſſen einſenkte und die alleinige Stelle war, die uns erlegte Beute au< bewahrt haben würde. Aber es gelang mir niht, einen einzigen der Vögel herabzuſchießen: die ungeheure Ausdehnung der mih umgebenden Maſſen raubte den ſicheren Bli> des Schüßen, indem ſie mir jedes Maß zur Vergleichung nahm. Nach einigen vergeblichen Verſuchen ſete ih mich nieder, legte das Gewehr auf den Boden und begnügte mich, den herrlichen Vögeln mit den Augen zu folgen, bis längſt überwundene Flugesſehnſucht wieder einmal über mi< kam und des Dichters Worte mir über die Lippen floſſen:

„Ach, zu des Geiſtes Flügeln wird ſo leicht Kein körperlicher Flügel ſich geſellen.“

Weit hinaus aufs Meer wagen ſi außer der Zugzeit die Felſenſegler niht. Bolle verſichert, mehrmals zu Schiff an der großen Felſenhalbinſel des Monte Argentario im ſüdlichen Toscana vorübergetommen zu ſein, ohne ſie, die dort ſehr häufig ſind, das Fahrzeug umkreiſen zu ſehen. „Und dennoch verdient der Vogel den Namen Rondone marino, „Meerſegler‘, den er in Toscana trägt, weil er felſige Meeresufer jedem anderen Aufenthalte vorzieht und in Ftalien niemals zum Städtebewohner wird wie in der Schweiz oder in Portugal. Häufig ſieht man ihn in Ftalien in ganz niedrig gelegene Grotten \<lüpfen und dur< Schaum und Giſcht der Wellen ſeinen Flug nehmen.

„Sieht man die Vögel hoh über ſih ſ{hweben, ſo hat ihr Flug etwas entſchieden Falkenartiges. Lange ſegeln ſie, ohne einen Flügelſchlag zu thun. Dann folgen ein paar haſtige, unterbrochen von plößlichem geraden und ſchiefen Herabſtürzen aus der Höhe. Öfters ſondert ſi aus einer Geſellſchaft, die ſih überhaupt abwechſelnd zerſtreut und zuſammenfindet, ein Pärchen ab, um ſpielend in die Luft emporzuſteigen. Bis in die tiefe Abenddämmerung hinein ſind ſie in Bewegung, wechſeln dann jedo<h den Plaz und die Beſchäftigung. Über allen Maſſarien, den ſehr mannigfaltig und reizend gemiſchten, bebauten Stre>en des der Küſte niht zu fern gelegenen Landes, namentlih in den Wein- und Obſtgärten, ſieht man ſie jezt ruhigen, ſhwimmenden Fluges und niedrig wie Schwalben hingleiten, jeden Vogel für ſi<, lautlos, niht mehr tändelnd mit ſeinesgleichen, ſondern eifrig mit dem Aufſuchen von Kerbtiernahrung beſchäftigt. Um Sonnenuntergang ſind ſie bereits vollſtändig dieſer Thätigkeit anheimgegeben, die auf eine beſondere Vorliebe für nächtliche Kerfe