Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

12 Ein Bli> auf das Leben der Geſamtheit.

ſein, die den Brückene<hſen ähnlih waren, doh läßt ſi< ihr Stammbaum bis jeht mit Sicherheit nicht feſtſtellen; ihre älteſten Formen ſtehen den paläozoiſchen Kriechtieren {hon ſehr fern und haben offenbar {hon einen weiten Weg in der Weiterentwi>elung zurügelegt, ohne daß wir im ſtande wären, ihn an der Hand vorweltlicher Funde zu verfolgen. Die älteſten Krokodile aus dem Keuper von Europa, Jndien und Nordamerika (Parasuchia und Pseudosuchia) ſtehen den Brü>ene<ſen no<h erheblih näher als die im Lias beginnenden Cuſuchier, deren unmittelbare Vorläufer ebenfalls no< niht bekannt ſind, von welchen aber die ſämtlichen jeßt lebenden Krokodile abſtammen. Neben den Krokodilen laufen die Nieſenehſen als nächſte Stammesverwandte einher; auch ſie dürften ſich entweder aus Brü>enechſen oder no< wahrſcheinlicher aus Theriodontiern entwi>elt haben. Jhre Trennung in Sauropoda und Theropoda vollzog ih {hon in der Trias; in der Jurazeit kommen die einſeitiger entwidelten Orthopoden hinzu, die in der oberen Kreide ihren Höhepunkt erreichen und dort auch erlöſchen.

Die Schildkröten beginnen in der oberen Trias und zwar mit bereits hoh entwidelten Formen (Proganochelys und Psephoderma). Den ſpärlichen triadiſhen Vorläufern folgen üm Jura und in der Kreide zahlreiche Vertreter von Halsbergern und Halswendern, die ohne weſentliche Änderungen in ihrem Geſamtbaue bis in die Jeßtzeit fortdauern. Die Abzweigung der Schildkröten vollzog ſi< wahrſcheinlih ſhon im paläozoiſchen Zeitalter an einer Stelle, die dem Urſprunge der Anomodontier nicht fern lag, mit welchen ſie mancerlei Übereinſtimmung aufweiſen.

Einen ſelbſtändigen, ſchon in der oberen Kreidezeit abgeſtorbenen Seitenzweig bilden die Flugſaurier. Auch dieſe erſcheinen im Lias ſchon mit allen ihnen eigentümlichen Merkmalen ausgeſtattet, entfernen ſi<h aber bis zu ihrem Erlöſchen in der oberen Kreide durch Verkümmerung der Zähne und dur gewiſſe Änderungen im Schädel beträchtlih vom urſprünglichen Kriechtiervorbild. Sie erhalten infolge ähnlicher Lebensweiſe gewiſſe Merkmale, die an Vögel erinnern, die aber troßdem keine nähere Blut3verwandtſchaft verraten.

Als Seitenausläufer der Brückenechſen dürfen die Eidechſen gelten, die in den Purbe>und Wealdenſchichten beginnen, aber erſt im Tertiär und in der Jeßtzeit zu voller Entfaltung gelangen. Von den Eidechſen haben ſih während der Kreide die im Meere lebenden Pythonomorphen und in entgegengeſeßter Richtung die Schlangen abgezweigt. Nur die leßteren dauern neben den Chamäleons, von welchen wir foſſile Vertreter noh nicht fennen, bis in die jeßzige Welt fort. Die Pythonomorphen verſhwanden als in hohem Grade einſeitig entwi>elte Formen ſhon am Schluſſe der Kreidezeit.

Dex Stammbaum der Kriechtiere führt ſomit aller Wahrſcheinlichkeit nah auf Urformen von eide<ſenartiger Geſtalt zurü>, die einen langen Schwanz, vorn und hinten ausgehöhlte Fiſchwirbel, ein Kreuzbein mit zwei Wirbeln, fünfzehige Gehfüße, einen vorn verſhmälerten Schädel mit oberen und ſeitlichen Schläfenlöchhern und Scheitelloh, auf den Kieferrändern aufgelötete Zähne und eine beſchuppte Haut beſaßen. Aus dieſen Urkriechtieren entwi>elten ſi< wohl zunächſt die Theriodontier und Brü>enechſen und aus den leßteren die Eidechſen nebſt ihren drei Seitenzweigen, den Pythonomorphen, den Chamäleons und den Schlangen. Alle übrigen Ordnungen dürften ſih ſhon im paläozoiſchen oder im Beginne des meſozoiſchen Zeitalters abgezweigt und im Körperbaue ſo raſh ver: ändert haben, daß ihre verwandtſchaftlichen Beziehungen ſowohl untereinander als auh zu den Urkriechtieren ziemlih verwiſcht erſcheinen.

Heutzutage leben übrigens immer noch gegen 3500 verſchiedenartige Kriechtiere: etwa 1645 Eidechſen, 55 Chamäleons, etwa 1575 Schlangen, 23 Krokodile, 201 Schildkröten und 1 Brükenechſe, und alljährlih werden namentlih unter den Eidechſen und Schlangen noh unbekannte Formen gefunden.