Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

26 Ein Bli>k auf das Leben der Geſamtheit.

Das tägliche, häusliche und, wenn ih ſo ſagen darf, geſellſchaftliche, rihtiger wohl gemeinſchaftliche Leben der Kriehtiere iſt überaus eintönig. Unter den Schildkröten ſind diejenigen, welche auf dem Lande leben, bei Tage, die meiſten Süßwaſſerſchildkröten aber vorzugsweiſe bei Nacht thätig; die Krokodile betreiben ihre Jagd hauptſächlih in der Dunkelheit, obwohl ſie ſich au<h am Tage eine günſtige Gelegenheit, Beute zu gewinnen, nicht entſhlüpfen laſſen, und nur die Eidechſen und ein beträchtlicher Teil der giſtloſen Schlangen dürfen als Tagtiere angeſprochen werden, während Ge>onen und faſt ſämtliche Giftund ebenſo viele giftloſe Schlangen nah Sonnenuntergang auf Raub ausgehen. Wie gewöhnlih ändert das Waſſer die Lebensweiſe inſofern ab, als die in ihm wohnenden Tiere zwiſchen den Tageszeiten niht ſo beſtimmt unterſcheiden wie die, die auf dem Lande hauſen; aber auh unter ihnen lebt die größere Anzahl erſt in der Nacht auf.

Mit Au8snahme der Landſchildkröten, einiger Süßwaſſer- und einer Seeſchildkröte ſowie einiger Eidehſen müſſen wir alle Mitglieder unſerer Klaſſe Raubtiere nennen; einzelne haben wir ſogar zu den furc<tbarſten zu zählen. Faſt alle Tierklaſſen müſſen ihnen zollen. Die Krokodile wagen ſi< an Säugetiere bis zur Größe eines Hundes oder Shweines und verſhonen den Menſchen ebenſowenig wie das ſi< dem Waſſer nähernde kleine Raubtier, ſtellen jedo< hauptſähli< Waſſertieren, insbeſondere Fiſchen nach; die Shhildkröten verfolgen lettere, kleinere Säugetiere, Vögel, andere Kriechtiere, Lurche, Kopffüßer, Shneen, Kerbtiere, Krebſe, Würmer und Quallen; die Cidehſen nähren ſi< von Säugetieren, Vögeln, ihren eignen Ordnungsverwandten, Lurchen, Fiſchen, Kerbtieren und verſchiedenem Gewürm, die Schlangen greifen hauptſächli< Wirbeltiere an, doch gibt es ganze Familien, die nur von Würmern und Kerbtieren leben. Faſt alle verſhlingen ihre Beute ganz, wenige nur, Schildkröten und Krokodile insbeſondere, zerſtü>eln ſie vorher in roher Weiſe, wie diejenigen thun, welche ſi< von Pflanzen ernähren. Dies hat zur Folge, daß das Freſſen und Verſchlingen bei einzelnen erheblihen Kraftaufwand erfordert. Die meiſten trinken. Mit zunehmender Wärme vermehrt ſich die Freßluſt der Kriechtiere; während der heißen Jahreszeit ſammeln ſie ſih ſozuſagen Vorratsſtoffe ein für das ganze übrige Jahr. Doch freſſen ſie im Verhältnis zu ihrer Größe weit weniger als Säugetiere und Vögel. Sie verſchlingen gewaltige Biſſen auf einmal, liegen dann aber auh bis nach vollendeter Verdauung tagelang in träger Ruhe mehr oder weniger auf einer Stelle und können nötigen Falles monatelang ohne Nahrung aushalten. Bei reichlihem Futter werden ſie bis zu einem gewiſſen Grade wohlbeleibt, einzelne von ihnen auh wirklih fett, dies jedo< in ungleich geringerem Maße als Säugetiere und Vögel.

Schildkröten und Krokodile ſ{huppen ihre Oberhaut in derſelben Weiſe ab wie die Säugetiere und Vögel; die übrigen Kriehtiere häuten ſi, d. h. ſtreifen die ganze Oberhaut in Feben oder mehr oder weniger mit einem Male ab, einzelne ſo vollkommen, daß das Volk mit Recht von „Natternhemden“ ſpre<hen kann. Nach dieſer Häutung zeigen ſie ſih beſonders jagdeifrig und freßgierig, weil ſie erlittenen Verluſt zu erſeßen haben.

Mit dem Beginne des Frühlings regt ſi<h auh unter den Kriehhtieren der Fortpflanzungstrieb. Die in nördlihen Ländern wohnenden kommen in den erſten warmen Tagen des Lenzes zum Vorſchein, die in gemäßigten oder heißen Ländern lebenden, die ſi{<h während der tro>enen Zeit vergraben, nah dem erſten Regen. Einzelne kämpfen, durch den Paarungstrieb gereizt, heftig miteinander. Die Krokodile verfolgen ſih gegenſeitig mit JIngrimm und ſtreiten wütend; die Eidechſen führen ebenfalls Zweikämpfe auf; Schlangen verſammeln ſih an gewiſſen Pläßen in größerer Anzahl, bilden wirre Knäuel untereinander, ziſchen oder geben andere Zeichen ihrer Erregung kund, bis ſie ſih endlih mit einem Weibhen geeinigt haben. Die Begattung ſelbſt währt ſtunden- und tagelang; nach ihr aber tritt, wenigſtens bei den meiſten, wieder ſtumpfe Gleichgültigkeit an Stelle der ſ{heinbar \o