Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Leben3weiſe. Häutung. Fortpflanzung. Winterſchlaf. A

heftigen Zuneigung zwiſchen beiden Geſhlehtern. Geraume Zeit ſpäter ſucht ſih das Weihcen, falls es niht lebende Junge zur Welt bringt, eine geeignete Stelle zur Auſnahme der Eier. Die meiſten Kriechtiere legen ihre mit einer pergamentartigen oder harten Kalk: ſchale bekleideten Eier, deren Anzahl zwiſchen 2 und 150 ſ{hwankt, in vorgefundene oder ſelbſtgegrabene Löcher unter den Boden oder zwiſhen Moos und Laub an feuchten, war: men Orten ab und überlaſſen der Sonne oder der dur<h Gärung der Pflanzenſtoſfe ſich erzeugenden Wärme deren Zeitigung, ohne ſih weiter um ſie zu kümmern. Eine Ausnahme hiervon machen einzelne Shlangen und Krokodile. Mißgeburten ſind nihts Seltenes, erreichen aber ſelten volle Entwi>elung: ſhon die Alten ſprechen mit vollſtem Rechte von doppelköpfigen Schlangen; in unſerer Zeit ſind auch zweiköpfige Eide<hſen und Schildkröten beobachtet worden. Die Jungen entwi>eln ſi verhältnismäßig raſh, gewöhnlich ſchon nach wenigen Wochen oder Monaten, und beginnen vom erſten Tage nah dem Ausſchlüpfen die Lebensweiſe ihrer Eltern.

Gegen den Winter, in tro>enen Strichen der Gleicherländer mit Beginn der dürren Zeit graben ſih die Kriehtiere in den Boden ein, verbergen ſih wenigſtens in tieferen Höhlungen und fallen hier in eine todähnliche Erſtarrung, die dem Winterſchlaſe gewiſſer Säugetiere entſpriht. An der nördlihen und ſüdlichen Grenze des Verbreitungsgebietes der Kriechtiere ſhüßen ſi< alle hier vorkommenden Arten der Klaſſe vor dem ſchädlichen Einfluſſe der ungünſtigen Jahreszeit, in dem ſüdlichen Teile des gemäßigten Gürtels und unter den Wendekreisländern nur diejenigen, welche ſi< dem Wechſel der Jahreszeit nicht entziehen fönnen. Jn dem feuhten Braſilien treiben ſih die Landſchildkröten jahraus jahrein umher, während diejenigen, welche am Orinoko leben, na<h A. von Humboldts Beobachtungen während der großen Sonnenhiße und Trockenheit ſih unter Steinen oder in ſelbſtgegrabenen Löchern verbergen und erſt, wenn ſie ſpüren, daß die Luft um ſie oder die Erde unter ihnen feuht wird, aus ihrem Verſte>e wieder hervorkommen. Die Krokodile, die in waſſerreihen Strömen hauſen, halten keinen Winterſchlaf; dieſelben Arten verbringen da, wo ihr Wohngewäſſer während der ungünſtigen Fahreszeit eintro>net, die Zeit der Dürre, indem ſie ſi< in den Shlamm einwühlen.

Nicht alle Kriechtiere fallen in vollſtändige Erſtarrung, einzelne führen vielmehr ein Traumleben; denn ſie bewahren ſi eine gewiſſe Beweglichkeit oder erhalten ſie doh ſchnell wieder, wenn die Umſtände ſih ändern, wogegen andere während des Winterſchlafes vollſtändig ſteif und bewegungslos daliegen, au<h hart anzufühlen ſind. Klapperſchlangen, die ſih in ſolchem Zuſtande befanden und die aufgenommen und in einen Weidſack geſte>t wurden, wachten, als der Jäger ſih einem Feuer näherte, ſehr raſh auf, erſtarrten aber auh bald wieder, nachdem ſie der Kälte aufs neue ausgeſeßt wurden. Auch bei ihnen ſcheint übrigens, wie Schinz hervorhebt, Entziehung der Wärme notwendige Bedingung des Winterſhlafes zu ſein. „Daß Tiere, die im wachen Zuſtande monatelang ohne Schaden faſten fönnen, einen Winter ohne Nahrung auszuhalten im ſtande ſind, iſt ſehr begreiflih; daß aber dasſelbe Geſet herrſcht, wie bei den winterſhlafenden Säugetieren, daß ein Verbrauch der Säſte dennoch ſtattfindet, ſo gering er ſein mag, erhellt daraus, daß Kriechtiere zu Grunde gehen, wenn ſie im Herbſte vor dem Einſchlafen Mangel an Nahrung hatten. Fn welchem Grade die leiblichen Thätigkeiten während des Winterſchlafes ſtillſtehen, und welche gänzlich ruhen, läßt ſi<h bei Tieren, deren Verrichtungen im wachenden Zuſtande ſo oft unterbrochen werden können, ohne dem Leben zu ſchaden, niht leiht beobachten; doch iſt es wahrſcheinli<h, daß bloß ein ſehr langſamer und unterbrochener Kreislauf ſtattfindet, das Atmen aber faſt ganz unterdrückt iſt, was bei dem geringen Sauerſtoffbedarf dieſer Tiere niht befremden kann. Eine zu große und ‘ange andauernde Kälte tötet indes auch ſie. Das Gewicht der Kriechtiere nimmt während des Winterſchlafes etwas ab, und hierdurch