Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

28 Ein Bli>k auf das Leben der Geſamtheit.

iſt bewieſen, daß Stoffverbrauch ſtattfindet. Eine Schildkröte, die vor dem Winterſchlafe 4 Pfund 9 Unzen gewogen hatte, verlor während deſſen bis zum Februar 1 Pfund 5 Drachmen an Gewicht.“ Übrigens kommen die Tiere keineswegs fraftlos zum Vorſchein, zeigen ſih vielmehr gerade unmittelbar nah dem Winterſchlafe beſonders lebhaft.

Alle Kriechtiere ohne Ausnahme wachſen ſehr langſam; die Trägheit ihrer Lebensäußerungen ſpricht ſi< alſo auh hierin aus. Ähnliche Verhältniſſe, wie ſie unter Säugetieren und Vögeln ſtattfinden, kommen in dieſer Klaſſe nicht vor: ſelbſt die kleineren Arten bedürfen mehrerer Fahre, bevor ſie fortpflanzungsfähig werden. Dafür aber erreichen ſie ein ſehr hohes Alter. Schildkröten haben in der Gefangenſchaft gegen, nach einzelnen Angaben ſogar über 100 Jahre gelebt; gewiſſe Krokodile wurden von Eingeborenen Afrikas ſeit Menſchengedenken auf einer Stelle beobachtet, und die größeren S<hlangen mögen ebenfalls ſehr alt werden. Krankheiten ſcheinen unter ihnen ſelten zu ſein, obwohl man ſolche unter Gefangenen beobachtet hat; ein allmählihes Abſterben, das wir Alters\{<wäche zu nennen pflegen, iſt bei ihnen no< niht in Erfahrung gebra<ht worden: die meiſten verenden gewaltſam oder wenigſtens [infolge äußerer Einwirkungen. Da es für manchen von Wert ſein dürfte, zu erfahren, wie kleinere Kriechtiere am ſicherſten und möglichſt \{<merzlos zu töten ſind, um ſie aufzubewahren, ſo will ih kurz erwähnen, daß man das zu tötende Tier am beſten in ein luftdicht verſhließbares Gefäß bringt, in wel<hes man ſodann einen mit Chloroform oder Äther befeuchteten Shwamm einführt. Wenn ſi das betäubte Tier niht mehr regt, wird es ſchnell in guten Weingeiſt übertragen und dieſer Weingeiſt möglichſt ein- oder zweimal, und jedenfalls ſo oft er ſih no< färbt, erneuert. Methyliſierter Weingeiſt iſt niht zu empfehlen. Durch faulende Stü>ke kann der Fnhalt eines ganzen Glaſes oder einer Blechkiſte verdorben werden, und bereits angefaulte Stücke eignen ſih meiſt nur no< zum Herſtellen von Gerippen.

„Um die genauere Kenntnis der in der Freiheit nur ſ{hwer zu beobachtenden Kriechtiere zu ermöglichen“, {reibt Foh. von Fiſcher, wohl der erfolgreichſte Pfleger dieſer Tiere, „bieten Terrarien die günſtigſte Gelegenheit, alſo Gewächshäuſer im Kleinen, in welchen die Tiere dur< räumliche Schranken begrenzt ſind. Um freilih dieſe Behälter ſo herzuſtellen, daß ihre Jnſaſſen gedeihen und ſih dem Auge wohlgefällig darbieten, daß ſich die Tiere nicht gegenſeitig befehden und die in der Freiheit herrſchende Harmonie gewahrt bleibe, müſſen wir eine genaue Kenntnis ihrer Lebensweiſe haben und auh die Lebensbedingungen der Pflanzen kennen, mit welchen wix unſere Pfleglinge umgeben wollen: wir müſſen das richtige Verhältnis zwiſchen beiden und untereinander zu erreichen ſuchen, damit eine ungeſtörte Entwi>kelung und das Gedeihen beider nebeneinander vor ſih gehen könne. Wollte man Sumpſftiere in die mit Steppenpflanzen beſeßten Terrarien bringen, fo würden ſie gar bald vertro>nen und abſterben, und umgekehrt würden Wüſtentiere, mit Steppenpflanzen zuſammengebracht, den Untergang der einen oder der anderen zur Folge haben. Die paſſende Wahl der Bodenart, das richtige Maß an Licht und Luft, an Feuchtigkeit und Wärme ſind Lebensbedingungen ſo gut für das Tier wie für die Pflanze. Auch iſt es nötig, namentlih unter den zu haltenden Tieren eine gewiſſe Auswahl zu treffen, damit ſie ſih niht gegenſeitig befehden, verſtümmeln oder töten. Das Zahlenverhältnis zwiſchen beiden Gruppen von Bewohnern unter ſi<h und zu einander will gleichfalls erwogen ſein: zu viele Pflanzen in einem niht genügend geräumigen Terrarium untergebracht, würden bald aus Luftmangel eingehen, zu viele Tiere ſich beengen, erdrü>en oder auffreſſen. Jn allen Fällen iſt alſo eine genaue Kenntnis der Exiſtenzbedingungen der