Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Wachstum und Lebensdauer. Terrarien. Nüßlichkeit und Schädlichkeit, 29

Pflanzen, der Lebensgewohnheiten und Nahrung der Tiere ſowie der wechſelſeitigen Beziehungen beider zu einander erforderli, ohne die ein Terrarium zwe>entſprehend unmöglich eingerihtet werden kann; verſieht man darin irgend etwas, ſo treten oft ſhon nach wenigen Tagen, ſpäteſtens in Wochen, Mißverhältniſſe und zuletzt die Auflöſung ein, während ein mit Kenntnis eingerichtetes, mit Umſicht und Fürſorge geleitetes und mit Liebe und Ausdauer gepflegtes Terrarium dem Beſißer und ſeiner Umgebung reichen Stoff zur Belehrung und Unterhaltung bietet ſowie zur Zierde ſeines Zimmers, ja des ganzen Hauſes dienen kann. Ein ſolches mit Kriechtieren bevölkertes Terrarium eröffnet dem denkenden Menſchen, der es liebt, ſi< in die Betrachtung der Natur zu vertiefen, au< im Winter ein reiches und angenehmes Feld der Thätigkeit und Belehrung; es ergänzt ihm die flüchtige Betrachtung der in Sammlungen ausgeſtopften oder in Spiritus verblaßten, ihres ſchönſten Shmu>es, der Farben, beraubten Kriectiere durch die Gewährung der Möglichfeit, ſie lebend in ihrem Thun und Treiben eingehend zu beobahten. Das Terrarium hat, wie die folgenden Blätter lehren werden, bereits zu wichtigen Aufſchlüſſen in der Lebensgeſchichte der Kriechtiere verholfen; gar viele biologiſhe Fragen aber, die nur durch andauernde Beobachtung oder dur zwe>mäßig angeordnete Verſuche am gefangenen Tiere gelöſt werden können, harren noh der Beantwortung, viele beiläufig gemachte Bemerkungen der Beſtätigung, mehr vielleiht noh der Ergänzung und Berichtigung.“

Der Nuten, den uns die Kriechtiere gewähren, iſt im Vergleich zu dem der anderen Wirbeltierklaſſen ein außerordentlich geringer. Unmittelbar nüßen uns die Alligatoren und einige Shlangen dur ihre Haut, mit welcher wir allerlei Dinge überziehen und ſ{hmüd>en, die Schildkröten durch ihr Schildpatt, das einen wichtigen Handel und mancherlei Gewerbsthätigkeit hervorruft und zu vielerlei Gebrauchsgegenſtänden des alltäglichen Lebens wie zu Werken der Kleinkunſt verarbeitet wird, und dur ihr Fleiſch und ihre Eier. Mittelbar ſind namentlih viele Eidechſen dur<h das Wegfangen von ſchädlichen Kerbtieren und Gewürm nüglih. Überwiegend dem gegenüber iſt ihre Schädlichkeit. Laſſen wix die Näubereien, die ſi ſelbſt fleine Schildkröten und auh mane Schlangen an Fiſchen und deren Brut ſchuldig machen, beiſeite, ſo haftet unſer Bli> vor allem auf den entſeblichen Zahlen, die uns Jahr für Jahr berichtet werden von der Tötung vieler Menſchen und Haustiere dur Giftſhlangen und dur Krokodile. Hier Schonung zu predigen, wäre Frevel, wäre Verſündigung an uns ſelbſt. Aber für die große Maſſe der Unſchuldigen, die unter der fleinen Menge der Schuldigen leiden müſſen, dürfen und müſſen wir doh ein Wort der Gnade einlegen. Sehen wir ab von den in heißen Ländern vorkommenden Kriechtieren, für wel<he Schonung zu verlangen überhaupt niht in unſerer Abſicht, auh nicht in unſerer Macht ſteht, ſo ſind es vor allem die ſ<hmud>en Eidechſen, Blindſchhleichen und Teichſchildfröten, die uns dur< ihre Bewegungen, ihre Munterkeit und Sorgloſigkeit erfreuen und Feld, Wald und einſame Seen beleben. Sie ſchaden niemand, und deshalb möchten wir hier ein gutes Wort zu ihren gunſten einlegen. Was die Schlangen anbelangt, ſo hal-

® ten wir es für zwe>mäßig, Tiere, die man niht genau kennt, zu töten, aber gleichſam zur Sühne für dieſen Totſchlag die getöteten Tiere ſtets mitzunehmen und in Weingeiſt aufzubewahren, um ſie gelegentlih einem Schlangenkundigen zu zeigen und Belehrung über Giftigkeit oder Unſchädlichkeit der Stücke zu erhalten. Hand in Hand mit dieſer Belehrung ſoll auh gehen, daß man die Schlange aufmerkſam betrachte, daß man ihr das Maul öffne und deſſen Zähne unterſuche. Ein ſo durch eigne Anſchauung erlangtes Wiſſen wird nicht “unfruchtbar bleiben und, im Falle man ein harmloſes Tier getötet hatte,