Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

34 Erſte Dronung: Schuppenkriechtiere; erſte Unterordnung: Eidechſen.

Der Menſch hat ſi< mit den Eidechſen befreundet, und ſie verdienen eine ſolche Bevorzugung. Wir dürfen ſie unbedingt zu den begabteſten aller Kriechtiere zählen. Sie ſtehen in keiner einzigen Fähigkeit hinter irgend einem anderen Klaſſenverwandten zurü>. Jhre Bewegungen ſind vielſeitig, gewandt, geſchi>t und meiſt ſehr ſchnell. Die meiſten ſ{hleppen beim Gehen den Leib faſt auf dem Boden dahin, laufen ſehr raſh, obwohl mit ſ{hlängelnder Bewegung, wiſſen ſi<h au< dur< Aufſ<hlagen ihres Schwanzes gegen den Boden empoxrzu\<leudern, alſo ziemlih weite Sprünge auszuführen. Die wenigen Arten, die im Waſſer leben, ſ<wimmen und tauchen troß ihrer niht mit Shwimmhäuten ausgerüſteten Füße ganz vorzüglich, und auch andere, die das Waſſer ängſtlih ſheuen, wiſſen ſi<h, wenn ſie zufällig in das feindliche Element geraten, hier noh re<t geſhi>t zu behelfen; diejenigen endlih, welhe an Fel8wänden, Mauerwerk oder auf Bäumen umherklettern, thun dies meiſt mit einer wahrhaft überraſchenden Fertigkeit. Bei den Baumechſen wird der lange Schwanz zur Erhaltung des Gleichgewichtes mit Erfolg gebraucht, und ſie ſind im ſtande, faſt ebenſo ſchnell, wie die Verwandten auf dem Boden, längs der Äſte dahin zu laufen oder von einem Zweige zum anderen zu ſpringen; andere laufen mit Hilfe ihrer ſcheibenartig verbreiterten, unten rauhhäutigen Zehen in jeder beliebigen Richtung, kopfoberſt oder topfunterſt, ebenſo ſiher auf der Ober- wie an der Unterſeite der Zweige; einzelne endlih vermögen mit Hilfe ihrer ſpreizbaren Seitenhaut Flugſprünge auszuführen, d, h. ſi< von höheren Zweigen hinab auf tiefer ſtehende zu werfen. Bei den Eidechſen, deren Füße verkümmert ſind oder gänzlih fehlen, geſchieht die Fortbewegung meiſt in derſelben Weiſe wie bei den Schlangen, obgleih bei ihnen die Rippen nicht in ſo ausgedehnte Wirkſamkeit treten wie bei dieſen.

Wenige Eidechſen beſitzen eine eigentliche Stimme. Von den meiſten vernimmt man im Zorne höchſtens ein fauchendes Ziſchen oder Blaſen; einzelne Arten aber, insbeſondere die nächtlich lebenden, geben abgerundete, ſchallende Töne zu hören, Laute, die mit dem Gebrülle der Krokodile nihts gemein haben, vielmehx bald an die Stimme der Fröſche, bald an die der Heuſchre>en und Grillen erinnern und piepend oder glu>ſend, ſeltener ſhnarrend oder zirpend ſein können,

Unterx den Sinnen ſteht das Geſicht ausnahmslos obenan. Die Mehrzahl beſißt ein wohl entwi>eltes Auge mit rundem Sterne; einige aber haben einen ſpaltförmigen Stern, der geradlinig oder gefranſt ſein kann, und geben ſih dadurch ſchon äußerlih als Nachttiere zu erkennen. Auf das Geſicht folgt ohne Frage das Gehör, das bei der großen Mehrzahl als fein bezeihnet werden darf. Namentlich alle Arten, welche mit Stimme begabt ſind, ahten auf Geräuſche, mögen ſie ihnen nun unmittelbar durch die Luft oder dur<h Erſchütterungen des Bodens zum Bewußtſein kommen. Hierauf folgt in der Ausbildung der Geruchs- und nach dieſem der Taſtſinn. Viele Eidechſen gebrauchen ihre Zunge wie die Schlangen mehr als Taſtwerkzeug und weniger als Werkzeug des Geſhma>es. Der Geſhma>sſinn iſt deshalb ſelten hoch entwi>elt, doh immerhin bei den pflanzen- und fruchtfreſſenden Arten und auh bei den wähleriſhen Halsbandeide<hſen genugſam ausgebildet, um ſie zu veranlaſſen, in ihrer Nahrung die ſorgfältigſte Auswahl zu treffen.

An Verſtand ſtehen die Eidechſen ſchwerlich hinter irgend einem Kriechtiere zurü>. Sie ſammeln Erfahrungen und benehmen ſi< dana. Bei uns zu Lande ſehen ſie in jedem größeren Geſchöpfe und insbeſondere im Menſchen einen gefährlichen Feind; in den ſüdlichen Ländern leben ſie mit dem Menſchen in traulichen Verhältniſſen, kommen dreiſt bis in deſſen unmittelbare Nähe, bitten ſi ſozuſagen in der menſchlihen Wohnung zu Gaſte und werden ſcließli< zu förmlichen Haustieren, während ihnen au< dort ein anderer Feind ſofort die größte Beſorgnis einflößt. Alle Liebhaber, welche dieſe zierlihen Geſchöpfe in Gefangenſhaft halten, gewinnen die Anſicht, daß ihre Pfleglinge ſie kennen lernen, und wenn damit