Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

36 Erſte Ordnung: Shuppenkriechtiere; erſte Unterordnung: Eidechſen.

faſſen das erſpähte Opfer ſcharf ins Auge und ſtürzen unter Umſtänden mit einem weiten Sprunge darauf, pa>en es, zerquetſchen es zwiſchen den Zähnen und würgen es, wenn möglih den Kopf voran, in den Schlund hinab. Nach reihliher Mahlzeit werden au< Die Eidechſen träge; niemals aber fallen ſie, wie die Schlangen, in einen Zuſtand völliger Abſpannung und Gleichgültigkeit. Mit Sonnenuntergang ziehen ſich die Tageidechſen regelmäßig in ihren Schlupfwinkel zurü>, und bei ungünſtiger Witterung verweilen ſie man<mal mehrere Tage, ja Wochen darin. Alle Arten der Ordnung, welche niht in Ländern ewigen Frühlings auf Bäumen oder im Waſſer leben, verbringen die ungünſtige Fahreszeit in einem Zuſtande, der dem Winterſchlaſe der Säugetiere im weſentlichen ähnelt. Unſere deutſchen Eidechſen verbergen ſi<h im Herbſte ſämtlich in tiefen Löchern unter der Erde und verweilen hier, den Winter dur<hſchlafend, bis zum Beginne des Frühjahrs; dieſelben Arten aber, die in Deutſchland nur fünf Monate verſchlafen, bringen im nördlihen Europa odex hoh oben im Gebirge 6—8 Monate in dieſem Zuſtande der Erſtarrung zu. Daß etwas Ähnliches auc in den Gleicherländern ſtattfindet, geht aus den zwar noch vereinzelten, je: doc vollkommen übereinſtimmenden Beobachtungen kundiger Reiſender hervor.

Bald nach dem Erwachen im Frühlinge, gleichviel in welher Weiſe dieſer auftritt, regt ſih der Fortpflanzungstrieb. Man bemerkt nunmehr unter den Eidechſen lebhafte Erregung, ſieht, wie zwei Männchen ſi heftig verfolgen, niht ſelten miteinander in Zweikampf geraten und ſih tüchtig beißen und herumzauſen. Nur während dieſer Zeit halten Männchen und Weibchen inniger zuſammen. Einige Wochen ſpäter ſind die 2—30 Eier, die das Weibchen zur Welt bringt, legereif, und die Mutter bereitet nunmehr, niht ohne Anſtrengung und Sorgfalt, ein paſſendes Neſt zu deren Aufnahme, indem ſie in lo>erer Erde oder im Mooſe, im Mulme zerfallener Baumſtämme, in Ameiſen- und Termitenhaufen 2c. ein Lo ausgräbt, in dieſes die Eier bringt und ſie wieder leiht bede>t. Die Eier ſelbſt unterſcheiden ſi< wenig von denen anderer Kriechtiere, beſißen deren zähe, meiſt wenig falt haltige , lederartige, ſhmiegſame Schale, das große ölreihe Dotter und das dünnflüſſige Eiweiß. Einige, wie die Haſtzeher, legen harte, falkſchalige Cier. Wenige Wochen oder Monate, nachdem dieſe abgelegt wurden, ſind ſie gezeitigt. Die Jungen entſhlüpfen ohne jegliche Hilfe ſeitens der Eltern und beginnen vom erſten Tage ihres Lebens an das Treiben der leßteren. Dies iſt die Regel. Aber nicht alle Eidechſen legen Eier: viele bringen auch lebendige Junge zur Welt, entweder ganz wie die Säugetiere, oder häufiger in der Weiſe, daß ſie die Eier im Mutterleibe ſo weit austragen, daß dieſe kurz vor dem Ablegen zerplaßen und anſtatt ihrer die entſhlüpften Jungen abgelegt werden. Bei fußloſen Eidechſen iſt die Anlage von Gliedmaßen, die beim Weiterwachſen aber zurü@gebildet werden und noh vor dem Auskriechen des Jungen verſhwinden, im jungen Keime mehrfach beobahtet worden. So fand G. Born beim Blindſchleihenkeim von 4,2 mm Länge eine frei vorragende Anlage von Vordergliedmaßen, die ganz dem Bilde entſprach, wie wir es beim Auftreten der Beine bei den gewöhnlichen Eidechſen und bei den Vertretern anderer Wirbeltierkflaſſen beobachten können. Jn nördlichen Ländern häuten ſich die im Spätſommer zur Welt gekommenen Jungen noch einmal, dann ſuchen ſie den günſtigſten Ort zum Winterſchlafe auf. Über die Möglichkeit, verlorene Körperteile wieder zu erſeßen, haben wir ſchon früher geſprohen. Bei den Eidechſen hat nun G. A. Boulenger die intereſſante Beobachtung gemacht, daß ſie, wenn ſie ihren abgebrohenen Shwanz erſeßen, oftmals ein anderes Schhuppengeſeß und andere Shuppenform an dieſem Körperteile annehmen. Während nämlich die Brückene<hſe den Schwanz in ziemlih ähnlicher Weiſe neu bildet, wie er vorher war, und ähnli au<h die Halsbandeide<hſen und Blindſchleichen, zeigen ſich bei den Haſftzehern bereits ſehr weſentlihe Abweichungen von der uxrſprünglihen Form. Eine beſonders abweichende Beſhuppung aber zeigt der mit Nund- oder Schindelſchuppen bede>te