Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Alte und neue Fabeln. Allgemeines. 39

Die Jndianer wiſſen dies ſo wohl, daß ſie nach dem Abhauen der Füße die Tiere furchtlos in die Hand nehmen. Dieſer Haftzeher ſut glülicherweiſe den Menſchen nicht auf, und die Gefahr beſteht nur darin, daß er, wenn er herabfällt oder unerwartet beim Aufheben von Gegenſtänden in dunkeln Winkeln ergriffen wird, vergiftet. Da der genannte Reiſende bei Vergrößerung mit einer guten Lupe am toten Tiere die Schuppen tro>en ſah und bei Zergliederung der darunter liegenden Teile, „ſoviel deren Gefährlichkeit ſie zuließ“, weder Drüſen no< Giftblaſen bemerken konnte, hält er es für wahrſcheinlih, daß das Giſt nah Willkür ausfließe. Heiße Öleinreibungen und Äßen, meint er, dürften wohl das paſſende Mittel ſein, der Wirkung zu begegnen; denn dieſe kann, wie ſtark das Gift auh ſein möge, der des Schlangengiſtes, das dur< Verwundung ins Blut gebracht wird, unmögli gleich ſein. Solche Schauergeſchichten fann man in anderen Teilen Amerikas, in Afrika, Judien und ſelbſt in Südeuropa vernehmen. „Wenn ein Ge>o“, ſo erzählten Fndianer und Farbige den Gebrüdern Shomburgk, „von der Decke oder den Balken des Daches auf die bloße Haut eines Menſchen fällt, ſo löſen ſi die Zehenſcheiben, die das Gift enthalten, und dringen in das Fleiſch ein, wodurch eine Geſchwulſt hervorgerufen wird, die ſchnellen Tod im Gefolge hat.“ Daher ſcheuen denn auch jene Leute die Haftzeher ebenſo wie die giftigſten Schlangen. Jn Südeuropa ſhwört jedermann auf deren Giftigkeit. „Es will wenig ſagen“, bemerkt Prinz Lucian Bonaparte, „daß man ſie beſchuldigt, die Speiſen mit ihren Füßen zu verderben; man lügt ihnen au<h nah, daß ſie das Blut von dem, über deſſen Bruſt ſie laufen, augenbli>li< gerinnen machen. Mit dieſer furhtbaren Lehre warnen die Mütter täglich ihre Kinder.“ Kurz, das Mißtrauen, der Abſcheu gegen die Haſtzeher iſt allgemein — und doh gänzlih ungerechtfertigt!

Fißinger erhob die Familie der Haftzeher zu einer beſonderen Ordnung; wir ſehen in ihnen nur eine Familie (Geckonidae) der Eidechſen überhaupt und laſſen uns dur A. Günther belehren, daß ſie ſi< von ihren Verwandten durch die an beiden Enden eingehöhlten Wirbel, den unvollſtändigen Augenbrauen- und Schläfenbogen ſowie das meiſt paarige Scheitelbein unterſcheiden, mit den meiſten dagegen das Säulchen gemein haben. G. A. Boulenger fügt zu dieſen Kennzeichen noch die glatte oder mit pelzigen Wärzchen beſezte Zunge und das verbreiterte, am inneren Ende öſenförmige Schlüſſelbein.

Die Haftzeher (&eckonidae) ſind zumeiſt fleine, plump gebaute, platt gedrückte und düſterfarbige Shuppenechſen. Jhr Kopf hat eine längliche, unter der Stirn etwas vertiefte, hinten erweiterte, vorn runde, abgeflachte, hehtartige, tiefgeſpaltene Schnauze und etwas höchſt Auffallendes wegen der großen Nachtaugen, deren Stern im Lichte ſich bis auf eine linienförmige, ſenkrechte, oft geſranſte Spalte zuſammenzieht, und deren Lider zu fehlen ſcheinen. Wirkliche Lider kommen nur bei einzelnen Gattungen vor; bei den übrigen Gruppen und Arten zieht ſich, wie bei den Schlangen, die durchſichtige Haut über das Auge hinweg und bildet eine kreisförmige, lidartige Falte. Nur wenige Gattungen, wie der deutſch: oſtafrifkaniſhe Lygodactylus, zeigen eine freisrunde Pupille und ſind dem entſprechend auh Tagtiere. Die ODhröffnung erſcheint als ſenkre<te Ribe. Der Hals iſt ſehr kurz und di>, der Rumpf gedrungen, rundlich, aber von oben nach unten platt gedrüdt, bisweilen ſeitlih befranſt, der ſehr gebre<lihe Shwanz mittellang, di>, an der Wurzel rundlich oder ebenfalls plattgedrüt, zuweilen auch ſeitlih mit Haut beſetzt; die Beine zeihnen ſih aus dur< ihre Kürze, die Zehen dur eine ganz abſonderliche Bildung, die als das Hauptmerkmal angeſehen werden muß. Bei den meiſten Arten dieſer Familie ſind ſie verhältnismäßig furz, in der Länge unter ſih au< wenig verſchieden, ſehr häufig dur eine mehr oder minder weit ausgedehnte Bindehaut vereinigt und auf der Unterſeite mit Blattkiſſen bede>t, Verbreiterungen, die quer liegende, häutige Blättchen verſchiedener Größe, Geſtalt und