Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

32 Erſte Ordnung: Froſchlurche; neunte Familie: Scheibenzüngler.

die allgemeines Erſtaunen erregten, aber ſpäter dur< Al. Brongniart und A. Agaſſiz vollkommen beſtätigt wurden. Erſtgenannter Naturforſcher traf im Pflanzengarten zu Paris zwei in der Paarung begriffene Geburtshelferkröten und ſah zu ſeinem nicht geringen Erſtaunen, daß das Männchen, das auf dem Rü>en des Weibchens ſaß, das Ende der in eine Schnur gereihten Eier mit den beiden mittleren Zehen des einen Hinterfußes ergriff, dieſen ausſtre>te und ſo die Eierſchnur herauszog, hierauf den zweiten Fuß anſete und ſo abwethſelte, bis die ganze Schnur abgegangen war. Gleichzeitig mit dem Herausziehen wi>elt ſih das Männchen dieſe Schnux, nachdem es die Eier befruchtet hat, in mehreren durcheinander geſ<lungenen, der Zahl 8 ähnelnden Schlingen um die Schenkel und trägt nun dieſen Knäuel tagelang mit ſi<h herum. Die Gallertmaſſe, welche die Eier verbindet, tro>net ein, ſo daß die Eier in Abſtänden von dur<hſchnittlih 1 em wie in einem häutigen Schlauche ſte>en, der zwiſchen ihnen wie zu einem Faden zuſammengedorrt erſcheint. ‘Die Eier ſind, laut Agaſſiz, anfangs klein und dottergelb; oben ſtehen zwei ſ<hwarze Punkte wie Nadelſtiche. Mit dieſer zukünſtigen Nachkommenſchaft an den Hinterbeinen vergräbt ſi< die Geburtshelferkröte in die Erde und verweilt hier mehrere Tage, bis die Eier eine gewiſſe Zeitigung erreiht haben. Das Dottergelb wird dunklex und ſpielt bald ins Gelbbraune; am dritten Tage bereits kann man am Keime Kopf, Rumpf und Schwanz unterſcheiden; die Bewegungen werden lebhafter; man ſieht deutlich den Herzſchlag und die Hebungen der Kiemen. Gegen den elften Tag hin iſt die Entwielung ſo weit gediehen, daß der treue Vater ſi ſeiner Bürde entledigen kann. Um dies zu bewerkſtelligen, geht er ins Waſſer, ſhwimmt und kriecht darin eilfertiger als ſonſt hin und her und bewirkt dadur<h wahrſcheinlih das Auskriehen der Eier. Nachdem er die Jungen abgeſchüttelt hat, ſtreift er die CEihüllen von den Schenkeln los und verſügt ſi wiederum auf das Troene, ohne ſi<h um die Larven weiter zu bekümmern. Leßtere unterſcheiden \i{h hinſichtlich ihrer Geſtalt wenig von den Kaulquappen anderer Froſchlurche und entwideln ſih fortan in regelre<hter Weiſe. Man kann nah A. Brunk erwachſene Larven über 2/2 Jahre im Quappenzuſtande erhalten, ſelbſt wenn man ſie paſſender Wärme ausſeßt und ihnen Gelegenheit gibt, ans Land zu gehen, wenn man ihnen eine Algennahrung verabreicht, die zwar hinreicht, ihr Leben weiter zu friſten, die ihnen aber niht geſtattet, den Stofſfaufwand, der mit der Verwandlung verknüpft iſt, auszugleichen.

In der neueren Zeit hat A. de l’Jsle die Beobachtungen über das Fortpflanzungsgeſchäft der Geburtshelferkröte wieder aufgenommen und in umſtändlicher Weiſe hierüber berichtet. J<h will verſuchen, das Wichtigſte ſeiner Mitteilungen hier wiederzugeben. Tſchudi fand 6 Monate nach der Legezeit ein Männchen mit Eierſhnüren und glaubte deshalb, daß die Geburtshelferkröte zweimal im Fahre Eier lege: nah A. de l’Fsles Beobachtungen aber währt der Zeitraum des Fortpflanzungsgeſchäftes überhaupt 6 Monate, vom März bis zum Auguſt nämlih. Das Weibchen bringt ſeine Eier in 83 oder 4 Säßen zur Welt. Denn, wenn man ein ſolches während der Legezeit unterſuht, findet man noh 2 Säße, die, abgeſehen von der Die der doppelten Einhüllung mit Eiweiß, genau ebenſo groß ſind wie die, die eben gelegt worden ſind, außer ihnen aber noch einen vierten Saß von Eiern, die ſih der Reife nähern. A. de l’Fsle hat Grund zu glauben, daß zwiſchen dem Legen der verſchiedenen Säße einige Wochen vergehen, und nimmt an, daß dadurch den Schleim abſondernden Drüſen Ruhe gegönnt werde. Ein vollkommen ausgewahſenes Weibchen beginnt im März zu legen, fährt bis zum Mai damit fort und hat zu Ende dieſes Yonats nur noch den leßten Saß im Cierſtode. Füngere Weibchen legen nur dreimal. Die Anzahl der Säße hängt übrigens niht allein von dem Zuſtande der Neife des Weibchens, ſondern auh von dex Nahrung, dem Klima und anderen Umſtänden ab. Eine Folge der in ſolchen Pauſen ſtattfindenden Eiablage iſt die ungleihmäßige Entwickelung der Jungen. Solche,