Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

742 Zweite Ordnung: Shwanzlurche; erſte Familie: Molche.

bedingt Gefräßigkeit, ſo viel aber die Shwanzlurche zu gewiſſen Zeiten freſſen, ſo lange können ſie au< wieder hungern. :

Eigentümlih und keineswegs bei allen ganz übereinſtimmend iſt die Fortpflanzung dieſer Tiere. Eine wirkliche Begattung findet nicht ſtatt; beide Geſchlechter ſuchen ſich vielmehr während der Paarungszeit im Waſſer auf: die Männchen verfolgen die Weibchen, geben dann ihren Samen in eigentümlich geformten Paketen von ſi, und die Weibchen nehmen ſodann Teile dieſer Samenpakete durch den After in ſih auf, ſpeichern die Samenfäden in eignen Vorratskammern auf und befruchten die Eier erſt unmittelbar vor dem Legen, ſo: bald ſie die Eileiter verlaſſen, oder noh früher, im Falle ſie, was ebenfalls vorkommt, lebendige Junge gebären. Schon Spallanzani wußte, wie uns E. Zeller mitteilt, daß bei den Molchen keine wirklihe Begattung und doch eine innere Befruchtung ſtattfinde, aber er erkannte niht, auf welhe Weiſe der Same in die Kloake des Weibchens gelangt. Erſt Gasco ſah im Fahre 1880 beim Molche und Axolotl mit Beſtimmtheit daß der vom Männchen na< außen abgeſezte Same vom Weibchen aufgeſu<ht und in die Kloake aufgenommen wird. Zeller gebührt das Verdienſt, dieſe wunderbare Erſcheinung als eine allgemeine bei den Shwanzlurchen feſtgeſtellt zu haben. Der Feuerſalamander verläßt nach der Brunſtzeit das Waſſer wieder; aber das Weibchen kehrt geraume Zeit ſpäter zu ihm zurüe, um ſeine Jungen, die ſi inzwiſchen in ſeinem Leibe entwi>elt haben, abzuſeßen; der Alpenſalamander aber gebiert ſeine Jungen ohne jede Verwandlung auf dem Lande. Die Waſſermolche endlich legen Eier, und zwar nur wenige auf einmal und befeſtigen ſie mittels eines ¡lebrigen S<hleimes an Pflanzenblättern. Die meiſten Land- wie die Waſſermolche verleben ihre erſte Jugendzeit alſo im Waſſer und verlaſſen dieſes erſt, wenn ihre Lungen ſi ausgebildet haben und die Atmung durch dieſe ſtattfindet. Während des Larvenzuſtandes unterſcheiden ſich die verſchiedenen Schwanzlurche wenig voneinander, und deshalb gerade erſcheint es niht gere<tfertigt, zwiſhen Molchen und Fiſhlurchen die Scheidewand einer Unterordnung aufzurichten; denn die Olme und Aalmolche, die no< in ſpäteren Jahren Kiemen tragen, ſind gewiſſermaßen als im Jugendzuſtande verharrende Molche anzuſehen.

Es dürfte ſhwer ſein, ein Mitglied dieſer Ordnung zu nennen, das dem Menſchen merklichen Schaden zufügt. Einige der größeren Arten nähren ſih wohl von kleinen Fiſchen; fie aber wohnen in Gegenden, wo ihr Nahrungsverbrauch gewiß nicht nah Geldwert angerechnet werden darf. Eher noh als ſchädliche darf man ſie nüglihe Tiere nennen, da ſie eine Menge von läſtigen oder den Pflanzen Schaden bringenden Tieren verzehren. Daß die Abſonderung ihrer Drüſen niemand Unheil zufügen kann, obgleih von alters hex hierüber das Tollſte gefabelt worden iſt, werden wir ſpäter hören.

Unter den Feinden, die den Molchen nachſtellen, werden ihnen wohl nur einzelne Schlangen und Fiſche gefährlih; Säugetiere und Vögel nehmen bloß Waſſermolche auf und verſchmähen dagegen die Erdmolche ihres Drüſenſaftes halber, während gewiſſe Shlangen und Fröſche ſih dur< ihn niht behindern laſſen. Dex ungebildete Menſch hegt noch heutigestags entſeßlihen Abſcheu vor den Salamandern und deren Verwandten, hat aber glülicherweiſe wenig Gelegenheit, ſeinen Gefühlen dur< die That, die faſt ebenſoviel wie Vernichtung der Tiere ſein würde, Ausdru> zu geben; der Aufgeklärte und Gebildete verlacht jenen und ſtellt den Molchen nux deshalb eifrig nah, weil ſie ſih vortrefflih zur Beſeßung der ſolhen Tieren dienenden Käfige eignen und jahrelang in der Gefangenſchaft aushalten.